Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

DOI issue:
Heft 10
DOI article:
Basler, Adolphe: Pariser Ausstellungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0532

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
also wiederum das Licht die großen Verzerrungen bei Daumier und Rouault
• ausgleicht. Das Gefühl für das Licht ist die Gabe, die den wahren Maler
von dem unterscheidet, der nur tote Bildformen verfertigt. Was Gromaire
fehlt, vermissen wir auch bei seinem Freunde Goerg. Seine Akte mit den
gedehnten Proportionen, seine manierierten Kompositionen — man könnte sie
für Parodien auf Goya oder Greco halten — entbehren weder des Charms,
noch des Witzes. Aber diese Kunst wird sich bald erschöpfen. Als Illustrator
wird Goerg seine Gaben sicherlich nützen können. Harmonisch verteilt er
Hell und Dunkel, vielmehr mit dem Grabstichel als mit dem überladenen
Pinsel. Der weniger geistreiche Luc-Albert Moreau betont eine engere
Verbindung mit der Natur. Sein „Boxeur“, stumpf, doch voller matter Töne
verrät eine gewisse Qualität. Ich möchte gern dasselbe von dem großen
allzu dekorativen Bild von Alix sagen, auf dem es nur eine schöne Form
gibt: die Frau mit Korb preciös und voller Saft. Zu derselben Künstlergruppe
gehört der Holländer Konrat Kickert, der anscheinend die den alten
Meistern abgelauschten Küchengeheimnisse mit dem wahren Geist der hollän-,
dischen Malerei verwechselt. Gewiß haben einige seiner französischen Freunde
Nutzen aus seinem Können gezogen, doch ahnt er, daß er nur den äußeren
Firnis der alten Meister besitzt und nicht ihr Geheimnis. Die holländischen
Meister hatten eine edlere Vorstellung von Form als die die Kickert in seinen
platt naturalistischen Anhäufungen in seinen Akten enthüllt. Bompard,
Thevenet und Pequin gehören noch zu dieser Schule, deren Führer D. de
Segonzac ist. Die Schule liebt es, lichtarme Farben dick aufzutragen. Das
ist echte Reaktion auf den Impressionismus. Auf seine freudetrunkene folgt
eine triste Malerei.
Impressionisten, Neoimpressionisten, Fauves, Kubisten, alle waren Sektierer,
auch die Maler, die sich heute auf Segonzac berufen. Eine Sekte weckt die
andere zum Leben. Aber die großen Talente wie Matisse, Derain, Rouault,
Braque, Segonzac, Utrillo unterscheiden sich von den Mitläufern durch innere
Wahrhaftigkeit, die allen nach einer Formel gemalten Bildern abgeht. Un-
glücklicherweise sind diese im Salon am lautesten und nach dem sehr ge-
scheiten Kunstschriftsteller Vauxcelles ist „die Kritik für diesen Frevel ver-
antwortlich, denn sie folgt aus Instinkt den Schreiern, und mit geschlossenen
Augen geht sie an innerlich bewegten Talenten vorüber, wie an Charles An-
grand, dem Gefährten von Seurat und Signac.“
Die in diesem Salon besonders wertvollen Maler sind: Utrillo, dessen
Pariser Landschaft nur Licht ist, um damit die ganze Stärke des Tones
wiederzugeben und die in der Perspektive verlaufenden Linien zu erfassen;
dies gibt seinen Bildern einen sehr persönlichen und zu gleicher Zeit ob-
jektiven Charakter. Ferner Lotiron, dessen Blumen mit viel Freude gemalt
sind. Ferner Signac, dessen großes, sonnenbeschienenes Aquarell ein wah-
res Kleinod ist. In diesen Malern lebt die impressionistische Tradition noch
fort. Für sie, wie für Suzanne Valadon und Coubine ist das Licht
die Seele des Bildes. Man gestatte mir, hier die Unterhaltung zwischen dem
Kunsthändler Barbazanges und dem Maler Coubine wiederzugeben. Barba-
zanges warf dem Maler seine dünne Malerei vor und die Art, die Farbe allzu-
sehr dem Licht zu opfern; er fügte aber gleichzeitig hinzu, daß die von ihm
gemalte Provence von überraschender Naturnähe sei. Darauf bekam er
folgende Antwort: „Veronese sagte, daß man beim Kaufmann die Farben
haben könnte, aber nicht das Licht, das allein am Geist teilhat.“ Diese Ant-
wort erinnerte Barbazanges an ein Wort des berühmten Akademikers Carolus
Duran über Corot: „Corot, das ist überhaupt keine Malerei, das ist nur Licht.“

508
 
Annotationen