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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 10
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0550

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Ausstellungen

Wie es jedoch bei derartigen Dingen geht,
man hat in dem zu weitmaschigen Netz
doch einige Fische gefangen. Baumherr
aber müßte noch manches zu Dekorative
in Form und Farbe abstreifen, wenn seine
religiösen Themen überzeugen sollen. In
dem soeben verstorbenen Kaspar Binder
aber ist ein sehr beträchtliches Talent zu
betrauern, das mir schon im Gewühl des
Glaspalastes seinerzeit aufgefallen war.
Er war nichts weniger als zu erledigen
mit dem Begriffe „übliche Leibischule“.
(Seine Arbeiten sind inzwischen in die Ga-
lerie Paulus gewandert). F. Gebhardts
bleigraue Landschaften haben Reiz, das
große Figurenbild aber ist unmöglich. Otto
Grassl gibt Zeichnungen mit Rezeption
mittelalterlicher Art. Die Hochlandhütte
von E.L. Hoffmann ist zu loben, einige
Landschaftszeichnungen sogar noch mehr,
andere Malereien fallen ab. Willi Schmid
archaisiert zu direkt im Sinne eines Quat-
trocento, wird auch von dekorativem Ly-
rismus bedroht, hat andererseits aber so
durchdringenden Ernst der Zeichnung und
des Fertigmachens, daß er Beachtung ver-
dient. (Zudem steht er neuesten Tendenzen
nachexpressionistischer Malerei nicht fern.)
Am besten sein Selbstbildnis, das eine bei-
nah reine Leistung. Von Schlageter sah
man schon Besseres. Ernst Heiders Berg-
landschaft ist das schönste Stück der Aus-
stellung, die Flachlandschaft zwar von zar-
tem malerischen Reichtum, aber nicht so
formgeschlossen. Daß ihm gerade ge-
schlossene Motive guttun, erweisen seine
Radierungen, die zwar andächtig wirken,
aber mit mehr Strenge das Gesamtgefüge
herausarbeiten sollten. Sie wurden er-
drückt durch die resoluteren graphischen
Formen von J. Weiß, der als Land-
schafter von manchem Reize ist.
In Galerie Paulus „Erste oberdeutsche
Ausstellung“, wo in lockerem Beieinander
oberdeutsche Konservative der letzten zwei
bis drei Generationen gezeigt werden. Vor-
an die Arbeiten von Edmund Steppes.
Die große Wiesenlandschaft mit den zwei
Pferden müßte von einer Staatsgalerie er-
worben werden. Sie würde in der Neuen
Pinakothek als eine ihrer schönsten Land-
schaften überhaupt hängen. Diese Origina-
lität und stille Größe des Komponierens bei
dieser heute beinah ausgestorbenen Kön-
nerschaft ringt auch bei anderen Arbeiten
Bewunderung ab. In Steppes’ Gefolgschaft
wandert Heinersdorff, mit Blumen und
Landschaften aus wundersam naher Sicht,
mit Liebe zur Unendlichkeit des Kleinsten.
Danach K. Flügel mit einem köstlichen in
lauter Grünstufen durchgehaltenen Berg¬

see. Ein Figurenbild K.Haiders, des Va-
ters dieser großen Tradition, die München
noch heute beherbergt und die wieder so
aktuell zu werden beginnt, erfreut und rührt
in diesem innigen Zusammenhänge. Czer-
n y, ein Könner fast im Sinne heutiger Veris-
ten, reizt an und stößt zugleich ab durch
bald bizarres, bald dekoratives Gehaben.
Edmund Kanoldt, Vater des Nachexpres-
sionisten, ist mit gutgebauten Stücken eines
Klassizismus des späten ig. Jahrhunderts
vertreten. Sonst Oberländer, Thoma,,
sehr enttäuschende Malereien von Boeh-
le. Dinge von Lugo, Kreidolf, Stäbli,
Stadler reihen sich an. Umrißgraphik von
Nicklas fällt angenehm auf. R.
* *
*
Am io. Mai werden es io Jahre, daß Al-
bert Weisgerber vor Ypern gefallen ist,
aus welchem Anlaß die Moderne Gale-
rie Thannhauser soeben eine umfassen-
de Weisgerber - Gedächtnisausstel-
lung eröffnet, die — ermöglicht durch das
Entgegenkommen von Museen und Privat-
besitzern — unter zirka 60 Gemälden und
ebenso vielen Zeichnungen eine Anzahl be-
deutendster Werke aus allen Schaffenszei-
ten des Künstlers vorführt.
NEW YORK
Den modernen Künstlern waren vieleAus-
stellungen gewidmet. Nicht mehr haben sie
sich scheu in einen Winkel zu drücken.
Ihrer Fürsprecher sind viele geworden, und
man sieht so manches gute und vielver-
sprechende. So führt J. B. Neumann in
seinem Graphischen Kabinett einige jetzt
hier lebende Russen vor: Burlink, Max
Weber und Ben Benn; ferner Brummer
den hier früher schon einige Male erwähn-
ten, immer abgeklärter werdenden Bernard
Karfiol und Walter Pach, den Vor-
kämpfer französischer Kunst in Amerika.
Bei Daniel sah man den in seinem inner-
sten Kern, Gott sei Dank, seiner Rasse treu-
gebliebenen Jasuo Kuniyoski, der aber
doch das törichte Wort des törichten Jin-
goisten R. Kipling, daß West und Ost nie-
mals zusammenkommen könnten, schla-
gend widerlegt. Bei Daniel arrangierte auch
Frau E. E. Scheyer, die sich seit einiger
Zeit hier aufhält und für die moderne
deutsche Kunst in vielfacher Weise tätig
ist, eine erlesene Ausstellung des Blauen
Reiter. Feininger, Klee, Jawlenski und
Kandinsky waren sämtlich mit charakte-
ristischen Werken vertreten, die ihr Wol-
len und ihren Weg darzutun vermochten.
Jawlenskis spätere, immer vergeistigter

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