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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 12
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Pauli, Gustav: Leihausstellung in der Kunsthalle zu Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0607

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einsmäßig organisierten Publikums ohne Verständnis und auch ohne Ent-
gegenkommen gegenüberstehen.
Das Interesse setzt erst wieder ein mit der Sammeltätigkeit neuester Zeit,
die ihre Objekte unter den Impressionisten findet. Hamburg hat, wie die
Ausstellung erweist, eine stattliche Reihe von Bildern unserer führenden
Meister aufzuweisen, namentlich von Liebermann und Corinth, neben
denen Slevogt ein wenig zurücktritt. Unter Liebermanns Bildern nennen
wir: den „Monte Pincio“, die „Terrasse in Nikolskoe“, eine schöne Vorder-
grundstudie in Stillebenform und ein ausgezeichnetes Porträt, den bekannten
„Mann im Leder“; von Corinth zwei große Blumenstilleben und einige
andere bekannte Bilder der Sammlung Simms (Klobenstein, Bildnis des
Herrn Simms, Badende, Strumpfband). Eine Überraschung bereitet ein bisher
im Privatbesitz verborgenes Herrenbildnis im braunen Anzug. Von Slevogt
erscheinen der große Dragoneroffizier (früher im Posener Museum) und
einige hervorragende skizzenhafte Arbeiten geringeren Umfangs aus der Samm-
lung des Herrn Otto Blumenfeld. Unter den in und um Hamburg Ansässigen
ist Kalckreuth mit einem Hauptbild, dem Kindertheater vertreten und bei-
spielsweise Anita Ree, Fritz Friedrichs, Ahlers-Hestermann, So-
phus Hansen, W. Tanck recht günstig.
Von den Münchener Malern sehen wir nur Habermann mit zwei aller-
dings recht guten Bildern, einem „Sitzenden Akt“ und einer „Dame in grün“
(der bekannten O. H.). Eine Überraschung bereiten die französischen Im-
pressionisten, von denen man eine so stattliche Auswahl kaum in Hamburg
erwartet hätte. Vorzüglich ist namentlich Sisley vertreten mit Hauptbildern,
wie der „Cathedrale von Moret“ und ein paar ausgezeichneten Seine-Land-
schaften. Auch Monet, Renoir (Grenoulliere) und Manet (BadendeFrauen,
Artischocken, kleines Blumenstilleben) können sich sehen lassen. Von den älte-
ren finden wir Courbet, Daumier (Treideler), Corot gut vertreten, und von
Delacroix die ausgezeichnete Skizze Sardanapal, die früher der Sammlung
Biermann, Bremen, angehörte.
In Hamburg hat sich ein kleiner Kreis von Freunden der modernsten
Malerei gebildet, der der Entwicklung der Expressionisten treulich nach-
gegangen ist. Hier werden S c h m i d t-R o t tl u f f, Nolde und Kirchner
liebevoll verfolgt, wie unsere Ausstellung erweist. Auch Munch hat seine
Sammler gefunden und erscheint mit einer Reihe ausgezeichneter Landschaf-
ten und Figurenbilder.
Außer den Bildern hat sich eine ansehnliche Reihe von graphischen Blättern
in fünf Seitenlichtkabinetten unterbringen lassen. Hamburg zehrt immer noch
von den Überbleibseln der einst glänzenden Sammlung Arnold Otto Meyers, die
wie keine zweite unsere Graphiker der ersten Jahrhunderthälfte, die Nazarener
und Romantiker, gepflegt hatte. Von Angehörigen der Familie konnte immer-
hin noch eine schöne Auswahl zur Verfügung gestellt werden, in welcher
Schnorr, Steinle, Schwind Hauptrollen spielen. Eine zweite Quelle floß aus
dem Familienbesitz der Speckter, von welchem allerliebste und rührende
Arbeiten der Meister Erwin und Otto zur Verfügung gestellt werden konnten.
Weitere Akzente dieser Ausstellungsgruppe liegen auf Menzel, der in einem
angesehenen Hamburger' Hause mit einer reichen Auswahl von Zeichnungen
vertreten ist, und auf Millet, von dem in einem anderen Hause eine Reihe
besonders schöner Drucke gehütet wird. Bei der Graphik der Expressionisten
galt es mit Rücksicht auf den vorhandenen Raum sich zu beschränken. Somit
wurde nur von Munch eine Auswahl von 16 besonders seltenen Drucken aus
der bekannten Sammlung Schiefler zur Ausstellung gebracht.

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