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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 12
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0630

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Sammlungen

völlig genügen: so ist es klar, daß er bei
aller logischen Bestimmtheit doch zu eng
gefaßt ist. Man kann eben ein vielfältiges
Zeitphänomen wie die deutsche Romantik
nicht bloß von der Form aus erfassen und
jede Mitwirkung der Gefühlsinhalte kate-
gorisch abstreiten. Selbst bei Pforr kommt
er, nach Feststellung seiner ,,abstrakten
Linie“ und „Medial-Perspektive“ mit den
kontrastgebenden Flächenfarben, als zu dem
letzten tiefsten Wesensmerkmal zu jener
,,Traumgeistigkeit“, die nichts mit Form zu
tun hat. Was aber Pforr recht ist, darf
Runge das vorenthalten werden? Runges
abstrakte Linie ist Trägerin eines Weltge-
fühls, das sich ebenso in pantheistischer
Religiosität wie in musikalischer Farben-
symbolik offenbart. Unmöglich, diese Mi-
schung formaler und inhaltlicher Werte
auseinanderzureißen und zu dekretieren:
bis hierher geht das Romantische und nicht
weiter. Sicherlich ist jene „intuitive Ver-
standes“-Theorie eine schöne Definition
formalistischer Logik. Aber es geht damit
wie mit allen allzu scharf fixierten Katego-
rien; sie bleibt Theorie vor der vielgestal-
tigen Wirklichkeit. Der Logiker Lehr muß
vor komplizierten Erscheinungen versagen.
Er macht es sich leicht, indem er z.B. Car-
stens mit kurzer diktatorischer Handbewe-
gung als „fragmentischen“ Destruktivisten
der Sturm- und Drangzeit abtut, der jede
Technik und jede Kunstform als überflüs-
sig über Bord warf. So haben schon die
vagen Theoretiker der Impressionisten-und
Vor-Impressionistenzeit gesprochen. Die
Verstandesschärfe der Lehrschen Deduk-
tion entpuppt sich hier als ziemlich reaktio-
när.
Vielleicht gelingt es ihm einmal, den rech-
ten Ring zu finden, dem er so nahe gekom-
men ist. Denn es ist nicht zu leugnen, daß
seine These die verworrenen Fragen der
Kunstentwicklung um 1800 sehr vereinfacht
hat. Wir hängen nicht an Bestimmungen,
die sich nicht als haltbar erweisen, und
hoffen von der geistigen Klarheit Lehrs,
daß sie uns die vielfachen Verschlingun-
gen der deutschen Kunstgeschichte um 1800
in einer gründlicheren Untersuchung aus-
einanderlegt, als in einem Schlußwort zu
„Franz Pforr“ geschehen konnte. Hier muß
er seine Eignung als Historiker großen Stils
einmal erweisen, wenn wir ihm seine pole-
mischen Kindereien endgültig gutschreiben
sollen. Dabei wird er aber nicht umhin kön-
nen, das Problem des doppelten „Klassizis-
mus“, die Probleme Carstens und Runge
etwas gründlicher zu durchdenken als bis-
her und die Einseitigkeit rein formaler Be-
trachtung zu ergänzen. Paul F. Schmidt.

S ammlungen
DER ANKAUF DER FIDEIKOMMISS-
GALERIE FÜR DAS PROVINZIAL-
MUSEUM IN HANNOVER
Durch die Kündigung des Vertrages, der
zwischen der Provinz Hannover und dem
Herzog von Braunschweig über die soge-
nannte Fideikommisgalerie bestand, durch
den letzteren, wurden die Neuordnungs-
arbeiten der Kunstsammlungen plötzlich
unterbrochen. Da aber die Fideikommis-
galerie des Gesamthauses Braunschweig-
Lüneburg einen wesentlichen Bestandteil
der Kunstsammlungen bildete, mußte die
Provinz wenigstens einen Teil der Gale-
rie dem Museum zu erhalten suchen. Bei
den schlechten Geldverhältnissen der Pro-
vinz, und da gleichzeitig ein Antrag auf
Bewilligung von Mitteln für den Neubau
eines Naturkunde-Museums vorlag, war es
der Provinzverwaltung nicht möglich die
ganze Galerie (615 alte und 182 neue Mei-
ster) zu erwerben.
Die Verhandlungen über den Ankauf
wurden von dem Landesdirektorium der
Provinz Hannover und der herzoglichen
Verwaltung geführt. Der Herzog von
Braunschweig machte von seinem Recht,
einzelne Bilder für sich zurückzubehalten,
Gebrauch und so gingen dem Museum un-
ter anderem ein kleiner Holbein, Porträts
von Pesnes und Ziesenis und einige gute
alte Niederländer verloren. Zunächst dach-
te man daran, die 200 wichtigsten Bilder
dem Museum zu erhalten, aber auch die-
ser Plan mußte fallen gelassen werden, da
infolge der Verkaufsverhandlungen, die
von der herzoglichen Verwaltung gleich-
zeitig nach verschiedenen Seiten geführt
wurden, ein Teil der Bilder dem Handel
überlassen werden mußte, um so einem
übermäßigen Hochtreiben der Preise zu be-
gegnen.
Für 179 Bilder, die dann noch übrigblie-
ben, wurde ein Preis von igioooo R.-M.
gefordert, einschließlich des Porträts Edu-
ard VI. von Holbein, das eine Million ko-
sten sollte. Da der Provinzialausschuß den
Ankauf des Bildes zu diesem Preise ab-
lehnte, wurde auf Antrag des Oberpräsi-
denten der Provinz Hannover vom Mini-
sterium die Auslandssperre über die ge-
samte Fideikommißgalerie verhängt und erst
wieder auf gehoben, als die herzogliche Ver-
waltung die Zusicherung gegeben hatte, die
mittelalterlichen Sammlungen des Welfen-
Museums 30 Jahre unberührt im Provin-
zial-Museum zu lassen. Der Holbein wurde
dann für 1250000 R.-M. vom Schwieger-

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