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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 13
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Waldschmidt, Ernst: Hellenistisch-buddhistische Kunst in Nordwestindien
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0653

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Hellenistisch-buddhistische Kunst

in Nordwestindien

VonERNST WALDSCHMIDT
Mit 26 Abbildungen auf 7 Tafeln

VORBEMERKUNG DES HERAUSGEBERS. Mit dem hier veröffentlichten Beitrag beginnt
eine kleine Folge von Aufsätzen über die von Grünwedel und A. von Le Coq durch die bekannten
Turf an-Expeditionen wieder entdeckte zentralasiatische Kunst, die namentlich durch die Veröffent-
lichungen A. von Le Coqs unter dem Sammelbegriff der „Spätantike in Zentralasien” bekannt
geworden ist.
Die reichen Schätze dieser Sammlungen von Gandhara, Turfan und Kutschfi werden zur Zeit in
dem in völliger und vorbildlicher Neuordnung befindlichen Berliner Völkerkunde-Museum erstmalig
auf gestellt. Erst wenn diese Aufstellung vollendet sein wird, was in einigen Wochen der Fall sein
dürfte, wird man allgemein einen tieferen Einblick in die Großartigkeit dieser bedeutsamen künst-
lerischen Hinterlassenschaften gewinnen. Dieser erste Beitrag und die folgenden Aufsätze sollen
vorbereitend die Leser unseres „Cicerone” mit den Tatsachen vertraut machen, die eine der wich-
tigsten Quellen für die Kunstgeschichte Asiens schlechthin erschließen und den modernen Menschen
— auch rein künstlerisch — zutiefst ergreifen werden.
NACH Neueröffnung des Berliner Museums für Völkerkunde wird jeder-
mann die Möglichkeit haben, hier im Zusammenhang mit den aufsehen-
erregenden mittelasiatischen Wandmalereien und Plastiken auch die größte
und reichste europäische Sammlung von sog. ,,Gandhara-Skulpturen“ in aller
Muße zu betrachten. „Gandhara-Skulpturen“, d.h. die Erzeugnisse jener einzig-
artigen Mischkunst hellenistischer Formen und buddhistischer Religiosität, die
sich im Laufe einiger Jahrhunderte in der alten Landschaft Gandhara, der
Gegend von Peschawar und Kabul, dem Gebiet der verkehrsreichen Karawanen-
straßen und des Einfallstores nach Indien und seiner weiteren Umgebung ent-
wickelt und seinen Einfluß weithin ausgedehnt hat. Mag dem einen Betrachter
mancher vertrauten Erscheinung gegenüber Alexander der Große und das in
weit entlegene Gebiete vordringende, himmelstürmende Hellenentum und eine
Verkümmerung seiner göttlichen Inspirationen, in barbarischer Umgebung,
unter barbarischem Einfluß, vor Augen stehen, dem anderen nur das eindrin-
gende Gift, der Fremdkörper in einer aufblühenden, rein auf das Geistige ein-
gestellten, naturabgewandten und verinnerlichten nationalindischen Kunst —
unbekümmert um den Streit der Meinungen werden diese steinernen Zeugen
einer großen und eigenlebigen Vergangenheit auf Freund und Feind herab-
lächeln und zur Einkehr mahnen, selbst aber in beglückter Selbstversenkung
dieser Welt des Irrtums entrückt sein. — Für uns nun handelt es sich darum,
sine ira et Studio einen Überblick über eine Zeitperiode und Kunstübung zu
geben, welche ohne allen Zweifel von hervorragender Bedeutung für die Kunst
Indiens und Zentralasiens gewesen ist und in ihrer Fortbildung mit der Ein-
führung des Buddhismus der religiösen Kunst Ostasiens einen großen Auf-
schwung gebracht hat.
Als bewußter Erbe der persischen Großkönige, zu deren Reich seit Darius
auch Nordwestindien gehört hatte, war Alexander der Große 326 siegreich in
das Fünfstromland eingedrungen. Dieser schnell vorübergehende Einfall hat
direkt keine bedeutenden Spuren in der indischen Geschichte hinterlassen.
Bald nach Alexanders Tode mußten die indischen Eroberungen an das mächtig
erstarkte Reich von Magadha am mittleren Ganges abgetreten werden. Hier
hatte der tatkräftige Tschandragupta 317 die Maurya-Dyastie gegründet und
sein Reich zu bemerkenswerter Blüte gebracht. Seine größte Ausdehnung
erreichte dieses aber erst unter Tschandraguptas Enkel, dem weltberühmten

Der Cicerone XVII. Ja'nrg., Heft 13

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