Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

DOI issue:
Heft 16
DOI article:
Curjel, Hans: Die übrigen Jahrtausend-Ausstellungen im Rheinland
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0855

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
und Museumsdirektor der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Alter Privatbesitz
an Kunstwerken existiert in Barmen nur in geringem Umfang. Das Wenige,
das an einheimischer Kunst vorhanden ist, vor allem Bildnismalerei aus der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurde der diesjährigen Düsseldorfer Aus-
stellung als der zuständigen Stelle zugeleitet. Die Barmer Ausstellung führt also
von allem Lokaltraditionellen weg in das freie Gebiet der Kunst, eine Parallele
zu der ganz ausgezeichneten Sammlung moderner europäischer Malerei, die Dr.
Reiche allen Widerständen zum Trotz in dem monströsen Gründerzeitsbau der
Barmer Ruhmeshalle zusammengebracht hat.
Die diesjährige erste Schau über den Barmer Privatbesitz beschränkt sich auf
Werke alter Plastik und Malerei. Die Bedeutung der plastischen Werke steht
im allgemeinen über der Bedeutung der ausgestellten Bilder. Man findet eine
ganze Anzahl von Stücken unter ihnen, deren Veröffentlichung für die Kunstge-
schichte von Wichtigkeit wäre; sie stellen obendrein dem Qualitätsgefühl der
Sammler ein treffliches Zeugnis aus. Mit Rücksicht auf einen zu erwartenden
Katalog, der die wichtigsten Stücke in Abbildung bringen soll, greife ich einige
Figuren heraus, die mir von besonderer künstlerischer kunsthistorischer Bedeutung
zu sein scheinen.
Vermutlich noch ins Ende des 13. Jahrhunderts führt eine kleine sitzende
Madonna (37 cm) aus französischem Sandstein mit geringen Spuren alter Be-
malung, die rheinische Provenienz besitzen soll. Die Fäden zur rheinischen
Kunst gegen 1300 (Wasserburger Chorgestühl) sind fast eben so stark wie die
vielfältigen Beziehungen zu gleichzeitigen Werken französischer und belgischer
Herkunft (Französische Madonna im Wallraf-Richartz Museum oder etwa Ma-
donna der Sammlung Kirch). Man wird das kleine ausgezeichnete Werk als
ein Hauptbeispiel des nordfranzösischen Einflusses in der rheinischen Hoch-
gotik bezeichnen dürfen. Nicht viel später, vielleicht in die ersten Jahre des
14. Jahrhunderts, wird eine trefflich erhaltene kleine weibliche Büste (31 cm)
zu datieren sein, die ursprünglich offenbar als Opferkasten gedient hat. Hier
sind vor allem im Gesichtstypus (Augenschnitt, Nase) die unmittelbaren Bezie-
hungen zu entsprechenden rheinischen Arbeiten, etwa der kölnischen Büste einer
Heiligen (um 1330) im germanischen Museum oder zu den kölnischen Reliquien-
büsten in St. Cunibert deutlich erkennbar. Ins 15. Jahrhundert gehören außer
einem guten rheinischen Vesperbild noch zwei Figuren von besonderer Be-
deutung. Eine stehende Madonna (105 cm), in der verschiedene Elemente ge-
mischt ' erscheinen. Burgundisches scheint vorzuherrschen, man könnte indessen
auch an Absenker des Burgundischen denken, wie sie beispielsweise in den be-
kannten Bodenseefiguren (Maria und Johannes) zu Stuttgart vorliegen, wenn auch
unsere Figur mehr auf die Mitte oder gar zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts
weist. Andererseits scheinen auch Beziehungen zu Rheinischem, das in diesem
Fall allerdings seinerseits ebenfalls mit Burgund zusammenhängt, etwa zu den
Apostelfiguren am Peterportal des Kölner Domes vorzuliegen. Der Kopftypus
wiederum weist mit seinen weichen Formen wieder mehr nach dem Süden.
Als ein Musterbeispiel für den Übergang der Steinbildhauertechnik zur Holz-
schnitztechnik weist auch die Technik der Figur auf eine Entstehung um die
Mitte des Jahrhunderts. Ein sehr merkwürdiges und seltenes Stück liegt in der
stehenden Königsfigur (93 cm) vor, die in Barmen als verwandt mit den
Figuren des Nürnberger Schönen Brunnens bezeichnet wird. Doch scheint es
sich auch hier eher um eine mit Burgund zusammenhängende Arbeit zu handeln
(Kopftypus), die in die letzten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts anzusetzen sein
wird. Als entfernte Analogie vermag ich nur eine entsprechende Figur im
Zürcher Landesmuseum anzugeben; ähnliche Kopfbedeckung (für die Datierung

823
 
Annotationen