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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 16
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Curjel, Hans: Die übrigen Jahrtausend-Ausstellungen im Rheinland
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0859

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MAINZ: AUSSTELLUNG AUS PRIVATBESITZ
Von den hier beschriebenen Ausstellungen besitzt die Mainzer Ausstellung
von Kunstwerken aus dem Besitz rheinhessischer, Mainzer und ehemals Kur-
mainzer Familien infolge der sehr großen Zahl bedeutender Werke und vor
allem durch ihre große Sonderabteilung Höchster Porzellan das stärkste Gewicht.
Sie ist in Räumen, darunter einigen Festräumen des durch die Renovierung zu
neuem Leben erwachten kurfürstlichen Schlosses untergebracht.
Die Anordnung des reichen und vielfältigen Materiales ist nach den Grund-
sätzen moderner Museumstechnik vollzogen, sodaß man eher den Eindruck hat,
in einem guten historischen Museum zu sein als einer Gelegenheitsausstellung
gegenüberzustehen. Besonders günstig sind die Raumeindrücke in dem Saal des
Höchster Porzellans, geschickt ist die schwierige Raumlösung in dem Festsaal
gefunden, der die Abteilung Kurmainz enthält. Überfein ist indessen die Ab-
teilung mittelalterlicher kirchlicher Kunst geraten. Man hat aus Holzrippen und
Stoff Pseudogewölbe hergestellt, die in ihrem Scheitel statt des Schlußsteines
rote elektrische Lampen für Stimmungszauber tragen. Vorsicht! Wir sind im
Gebiet ernster Kunst! Es darf nie vergessen werden, daß im Museum nicht
der Raum, sondern das Werk das Entscheidende ist; also weniger Raumschön-
heit und mehr Sachlichkeit, weniger Regie und größere Bescheidenheit des Mu-
seumsmannes, der nicht sich, sondern die Gegenstände darzustellen hat. Es
muß dies angesichts der überhandnehmenden Museumsregie einmal grundsätz-
lich ausgesprochen werden.
Diese kleine negative Feststellung bleibt aber ohne Gewicht angesichts der
vollbrachten Leistung im Ganzen. Die Zusammenstellung, die ja in solchen
Fällen, wo es sich um ein vielverzweigtes Material handelt, besonders schwierig
und von ausgesprochener kunsthistorischer Findigkeit abhängig ist, bleibt als
ein sehr großes Verdienst, für das der Mainzer Kunsthistoriker Dr. Busch ver-
antwortlich zeichnet. Auch der Katalog ist sehr gut. Er führt die beigebrachten
Gegenstände einzeln auf und bringt eine Menge Abbildungen, die in sicherer
Auswahl des Wichtigen der Forschung wertvolles Material zuführen. Umfang-
reiche Sonderpublikatiönen (mittelalterliche Plastik und Höchster Porzellan)
sind geplant.
In Hinsicht auf diese zu erwartenden Veröffentlichungen, die zugleich die
wissenschaftliche Verarbeitung des Materials bringen werden, beschränke ich
mich auf summarischen Überblick. Die beigebrachte Plastik ist das wichtigste.
Allein aus dem 14. bis 16. Jahrhundert enthält die Ausstellung ungefähr 120 Fi-
guren von verschiedenster Provenienz, unter denen sich eine große Zahl von
Stücken erster Bedeutung befinden. Obwohl nicht nach stilistischer Herkunft
gesammelt, überwiegen natürlicherweise die Werke mittelrheinischer Kunst.
Die mittelrheinische Ausdrucksweise des 14. Jahrhunderts ist durch drei ganz
auserlesene mittelrheinische Marienfiguren und durch ein Vesperbild aus den
letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts dargestellt. Ebenso kann die mittelrheinische
Stilentwicklung im 15. Jahrhundert von Anbeginn an bis ans Ende ungebrochen
verfolgt werden. Der am Anfang des Jahrhunderts stehende Meister von
Hallgarten und seine Auswirkung bis in die Mitte des Jahrhunderts, der Stil der
Jahrhundertmitte, die Zusammenhänge des Hausbuchmeisterkreises mit der Plastik
— vor allem an einer aus Mainz stammenden Relieflünette mit reicher Land-
schaftsdarstellung — und die Vorstufen der Ausdrucksweise Backoffens: dies
alles kann an einer Menge von Beispielen verfolgt werden. Auch der Beginn
des 16. Jahrhunderts ist mit einigen Arbeiten aus der Backoffenschule
und allerdings nur wenigen Einzelarbeiten veranschaulicht. Dieses Nachlassen
 
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