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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 18
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Waldschmidt, Ernst: Die "Tocharische" Epoche der Kunst von Kutscha (Ostturkistan)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0912

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folge seiner eigentümlichen klimatischen Verhältnisse erhal-
tenen und aufgedeckten Gemälde. Grünwedel hat den ältesten
der in der Oase von Kutscha auftretenden Stile den „Gan-
dhara-Stil“ genannt und will unter diesem Namen mehrere
Variationen von Stilarten zusammengefaßt wissen, „welche
am unmittelbarsten spätantike Elemente, wie sie am deutlich-
sten an den Gandhara-Skulpturen ausgeprägt sind, erkennen
lassen“. Als Unterschiede haben wir dann je nachdem eine
mehr oder weniger starke persische oder national-indische
Beimischung.
Die „Pfauenhöhle“ repräsentiert einen verhältnismäßig
seltenen Typus von Höhlen. Sie besteht aus einer Vorhalle
und der Cella (Textabb. i). Die Gemälde der Cella sind zu einem
guten Teil in das Berliner Museum gekommen, und dort ist die Höhle, soweit das
möglich war, in einer aus praktischen Gründen ein wenig veränderten Verteilung der
Gemälde auf die Wände und etwas niedriger, aber sonst in den Abmessungen
des Originals, wieder aufgebaut. Die in einem prächtigen Schokoladenbraun, dessen
metallischer Glanz nach Öffnung der Höhle verlorengegangen ist, in Schwarz,
Weißgelb und schimmerndem Hellgrün gehaltenen Farben wirken bei künstlicher
Beleuchtung fast wie Glasuren, und der kleine Raum läßt uns etwas von der
religiösen Stimmung der Gläubigen empfinden, welche beim Schein von Laternen
das Innere der Cella betraten und mit Weihrauchlampen oder -schalen und
Blumen in der Hand in feierlicher Umwandlung dem in ihr aufgestellten großen
Kultbilde Verehrung bezeugten. Die Cella ist quadratisch, ihr Dach besteht aus
einem flachen Plafond, in dessen Mitte eine Kuppel ausgehauen ist, welche nach
spätantiker Weise in eine Reihe nach oben sich verjüngender Streifen zerfällt.
Eine Aufnahme des Inneren des „Rotkuppeltempels“ (Taf. 2, b), welcher dem-
selben Typus angehört, gibt eine Vorstellung des Aussehens und der Anordnung
der Dekorationen. Wir sehen hier deutlich die verschiedenen Streifen der
Kuppel, während die Darstellungen des Plafond leider vollständig abgebröckelt
sind. Darunter folgt ein schweres Gesims mit vortretendem Rundstab und auf
den Wänden sodann zwei durch Blattstäbe und andere Ornamentstreifen hori-
zontal unterteilte Friese von Darstellungen verschiedener Szenen, aus denen
uns das Bild der Stifterin im Schellenmieder durch Nachzeichnung bereits be-
kannt ist. — Die „Pfauenhöhle“ führt ihren Namen nach dem Schirmdach der
Kuppel, welches aus abwechselnd hellen und dunklen Pfauenschweifen gebildet
wird, auf denen jedesmal unmittelbar unter der zerstörten Scheitelrosette ein
nach unten fliegender jugendlicher Devaputra (etwa: Engel), der mit beiden
Händen ein Schmuckband trägt, aufgemalt ist. Die Kuppel selbst wird durch
vier in der Mitte jeder Seite des Plafond auftauchende, bis zu den Hüften sicht-
bare Devaputras mit ausgebreiteten Armen hochgehalten (Textabb. 2). In den
Zwickeln ist je ein Bodhisattva mit Gefolge abgebildet. In der Tracht eines
indischen Fürsten sitzt er in einem grünen, um die Hüften geschlungenen Ge-
wände auf dem mit Teppichen belegten Throne (Taf. 3, b). Die Beine hängen
übereinandergeschlagen nach vorn herab,- die Hände sind vor der Brust lehrend
zusammengelegt, von den Schultern schlingt sich um die Oberarme ein brauner
Schal. Der Oberkörper ist nackt und mit Schmuckstücken reich verziert, ganz
so, wie es uns aus den Gandhara-Skulpturen bei den Bodhisattvas bereits be-
kannt ist. Ein großer Strahlenkreis umgibt den ganzen Oberkörper und schließt
auch den Kopfnimbus, welcher das Haupt und die schöne, mit Schmuckscheiben
gezierte Krone umgibt, mit ein. Weiße flatternde Bänder hängen nach den
Seiten von der Krone herunter. — Das Gefolge des Bodhisattva besteht aus fünf


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