Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

DOI Heft:
Heft 19
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0989

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ausstellungen

Komposition) überraschend reich zur Stelle
ist, wurde schon genannt; es folgen Mau-
rice Barraud, etwas lässig in der Form,
aber koloristisch sehr fein, G. Franpois,
W. Gimmi (der zwar aus Zürich stammt,
aber in Paris lebt) u. a. mehr. — Einen ge-
schlossenen Eindruck hinterlassen die Bas-
ler mit dunkeltonigen Porträts und Land-
schaften, in denen die Malkultur von der
Art Leibis gepflegt wird. Da ist J. J. Lü-
scher mit einem Familienbild und einer
schwarzgrünen Juralandschaft, Carl Dick
mit einem ausgezeichneten Porträt des
Bildhauers Roos, N. Donze mit einer
schweren Rheinlandschaft und der etwas
naive Herrn. Huber mit zahlreichen, in
sich zu gleichartigen Familienbildern im
Zimmer oder Garten. — Einen vortreff-
lichen Eindruck hinterläßt der altmeister-
liche Hans Sturzenegger und der
starkfarbige Ed. Vallet, der volkstüm-
liche Stoffe künstlerisch anpackt.
Die Hauptstützen der schon historisch
gewordenen Schweizer Kunst sind naturge-
mäß F. Hodler und A. Böcklin, denen noch
(der etwas schwach vertretene) Segantini
und der phantastische A. Welti sich an-
reihen. Auf Hodler entfallen allein rund
60 Nummern, die auch den frühen Meister
vortrefflich zur Geltung bringen. Da ist das
entzückende Mädchenbildnis in Samtbraun
und Rosa aus dem Genfer Museum, das hi-
storisch gewordene Schützenbild „Grütli“,
wundervolle Landschaften vom Thuner-
und Brienzer-See, der zusammengeknickte
Mann, der den Kopf seitwärts auf die
Stuhllehne legt (Enttäuschte Seele), dann
das kraftvolle „mutige Weib“ im Boot, die
Version der „heiligen Stunde“, die .nach
Luzern gehört, die zarte „kranke Frau“ und
viele Studien, die den Entwicklungsgang
Hodlers lückenlos verfolgen lassen.
Ebenso stark, nur in anderer Art, wirkt
dann der Böcklin-Saal mit über zwei
Dutzend Werken des Farbenzauberers, dar-
unter nicht ein schwaches. Angesichts
dieser Fülle an Können und Phantasie, an
Naturverlebendigung und Formkraft ver-
gißt man, daß es je einen „Fall Böcklin“
gegeben hat (der ja nur eine Reaktions-Er-
scheinung war).
Auch bei den älteren Meistern macht man
viele kostbare Entdeckungen. Da wirkt H.
Füßli durch seine Genialität, M. Di-
steli, dem ein Kabinett eingeräumt ist,
durch die Leichtigkeit seiner Zeichnung,
die beiden T ö p f f e r mit Landschaften und
witzigen Karikaturen, Alb. Welti mit sei-
ner erfindungsreichen Graphik, Stauff er-
Bern mit seinen strengen Radierungen. Die
ältere Landschaftskunst zeigt sich bei Joh.

J. Biedermann von ihrer sachlich-liebe-
vollen Seite, schwingt bei Calame zu fest-
licher Größe und holt bei F. Schi der im-
pressionistische Wirkungen. Auch E.
Morgenthaler fesselt durch seinen
geistvollen Impressionismus, während das
K r ei d o 1 f - Kabinett zarte Blumen- und
Märchenstücke und das W al s er-Kabinett
reizende Kleinigkeiten darbietet. — Unter
den älteren Malern ragt noch Frank Buch-
ser hervor, der in Bildnissen und Land-
schaften Errungenschaften des Impressio-
nismus vorwegnahm und sie in seine ge-
sunde herbe Schweizer Art einschmolz.
Bei der Plastik überragt Hermann Hal-
ler durch beschwingte Seelenhaftigkeit
seiner Figuren alle Mitbewerber. Aber Carl
Burckhardt rückt neben ihn durch seine
eindrucksvoll vereinfachende Größe. Die
Maler Amiet und Hodler sind mit interessan-
ten Bronzebüsten vertreten (mit einem Ölbild
auch Gottfr. Keller). Sonst nimmt vor al-
lem noch Herrn. Hubacher für sich ein,
ebenso E. K i s s 1 i n g und Otto Roos. Die
Anordnung der Plastiken, teils bei den Ge-
mälden, teils in einem eigenen halbrunden
Saal ist geschmackvoll und geschickt
durchgeführt. Überhaupt zeigt die ganze
Anlage die umsichtige Hand von Dr<
Storck, der mit großer Energie und Sach-
kenntnis (die auch gerade von den Schwei-
zer Vertretern anerkannt wird) diese reprä-
sentative Schau zusammengebracht hat.
Da nicht der zufällige Atelierbestand, son-
dern bereits gesiebter öffentlicher oder pri-
vater Galeriebesitz die Grundlage der Aus-
stellung ausmacht, war ihre Qualität von
vornherein verbürgt. Daß sie so hoch und
rein ausfallen würde, konnte trotzdem nicht
erwartet werden. Um so mehr lohnt das
Resultat die aufgewendete Anstrengung.
Daß ein solches Unternehmen, das gar kei-
nen merkantilen Einschlag hat, auch finan-
ziell vorteilhaft abschneide, kann freilich
kaum erwartet werden; da stehen Ausgaben
und Einnahmen von vornherein in einem
zu ungleichen Verhältnis. — Die Bedeu-
tung der Veranstaltung als wertvolle Kul-
turtat wurde durch die feierliche Eröffnung
unterstrichen, an der offizielle Vertreter der
schweizer und deutschen Regierung so-
wie zahlreiche Künstler teilnahmen.
Karlsruhe. E. Oeftering.
Nachschrift: Mit dem letzten August
mußte die Schweizer Kunst aus der Aus-
stellungshalle geräumt werden, da diese für
September den Dentisten zugesagt war.
Man setzt auch hier mit fiebriger Emsigkeit
eine Veranstaltung auf die andere. So ha-
ben jetzt „Unsere Zähne“ die Kunst hinaus-

957
 
Annotationen