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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 20
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1035

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Sammlungen

Reihe neuer Galerien höchst zweck-
mäßig und geschmackvoll eingerichtet, in
denen in ununterbrochener Folge die
christliche Kunst von der romanischen
Zeit an vorgeführt wird. Um einige Mo-
numentalwerke aus den frühen christlichen
Jahrhunderten wenigstens durch Repro-
duktionen vertreten zu lassen, da Originale
unbeschaffbar sind, hat man eine größere
Anzahl der glänzenden, nach den Wilpert-
sehen Tafeln angefertigten Mosaikpaneele
der Firma Puhl-Wagner-Heinersdorff-Ber-
lin durch deren New Yorker Haus, die Ra-
venna Mosaics Inc., angekauft, darunter
noch jüngst die gewaltigen Tafeln des Kai-
sers Justinian und der Kaiserin Theodora
mit ihren Gefolgen aus Ravenna, und es
ist beabsichtigt, für diese Mosaiken einen
eigenen Raum herzurichten.
Die durch Ankauf und Schenkungen dem
Museum während des Jahres zugeflosse-
nen Neuerwerbungen waren wieder sehr
zahlreich. Nur einige wenige seien hier
kurz aufgeführt:
Eine Gruppe chinesischer Bronzen aus
der späten Chouperiode, etwa 400 v. Chr.,
die aus der Provinz Shensi stammen und
1901 unter dem Vizekönig Tuang Fang aus-
gegraben wurden; ein chinesisches Opfer-
gefäß aus Silberbronze aus der Chinperiode
(256—206 v. Chr.) hat doch jetzt überhaupt
hier das Interesse an diesen alten chinesi-
schen Bronzen sehr stark zugenommen, si-
cher nicht zum Schaden des allgemeinen
Geschmackes; zwei hellenistische Porträt-
werke, von denen eines den Kopf des Stoi-
kers Chrysippus wiedergibt; die römische
Kopie eines Praxitelestorso und eines Sa-
tyrkopfes.
Das Newarker Museum, von dem letz-
tes Jahr eingehend die Rede war, zieht jetzt
in seinen neuen räumigen Bau ein, den
es der Weitsichtigkeit seines Direktors
John Cotton Dana und der Großherzigkeit
Louis Bambergers verdankt, und der im
Oktober eingeweiht werden soll.
Es wird gleichzeitig eine Schule für Mu-
seumsbeamte eröffnen, in der die Schüler
nicht bloß zu routinierten Beamten, son-
dern zu Leitern einer neuen Bewegung mit
weitgesteckten Zielen ausgebildet werden
sollen.
Vortrefflich -und für andere sehr nach-
ahmungswert ist auch der Entschluß des
Direktors, Mr. Danas, sein neues Museum
jungen, noch nicht anerkannten, aber Be-
gabung verratenden Künstlern zum Aus-
stellen ihrer Werke zu öffnen.
Daß man ähnliches z. B. selbst im kon-
servativen Boston in gewissen Kreisen
vermißt, beweist ein Artikel im Bulletin des

Bostoner Museums, in dem indirekt wenig-
stens anerkannt wird, daß es gut wäre, auch
der lebenden Kunst die Museumstore zu
öffnen, daß dafür aber die nötigen Mittel
noch nicht bereit stünden.
Für Boston war natürlich das Haupt-
kunstereignis des Jahres das Übergehen der
Fenway-Courtsammlung der verstorbenen
Mrs. Gardner in öffentlichen Besitz. Von
dieser großartigen Kollektion war schon
seinerzeit hier die Rede. Sie wird jetzt vier-
mal in der Woche gegen ein kleines Ein-
trittsgeld zur Besichtigung offen stehen
und so zu den größten Attraktionen der
Staaten gehören.
Daß dem Foggmuseum in Bostons
Nachbarstadt, Cambridge, das eng mit des-
sen Harvarduniversität verbunden ist, von
Rockefeiler junior für seinen Fond eine
halbe Million Dollars zur Verfügung ge-
stellt worden ist, wurde bereits oben er-
wähnt. Das Museum ist hauptsächlich auf
wissenschaftlichem Gebiete tätig, und für
Forschungszwecke sucht es auch einen
größeren Fond zusammenzubringen. Eine
fast völlig ruinierte Madonna von Bellini
hat man seitens des Museums zur Restau-
rierung dem Mr. Herbert Thompson vom
Boston-Museum .anvertraut, der an einer
neuen Methode der Gemälderestaurierung
arbeitet. Das Werk war durch Feuer und
Rauch aufs schwerste beschädigt worden.
Mr. Thompson übertrug es nun Stück für
Stück auf eine „unbewegliche Unterlage“,
die aus einer Aluminiumtafel besteht, in
deren gerauhte Oberfläche eine Schicht
von besonders präpariertem Gips von gro-
ßer Dehnbarkeit und zugleich Widerstands-
kraft eingedrückt ist. Diese Tafel ertrug
die größten Temperaturwechsel ohneVer-
änderungen, und selbst wenn die Tafel um
dreißigGrad gebogen wurde, blieb dieGips-
schicht unberührt davon, so daß hier eine
ideale Unterlage für alte Gemälde gefunden
zu sein scheint, was gerade für Amerika
von höchstem Werte ist, weil hier bei den
großen Temperaturschwankungen beson-
ders alte Holztafeln steter Gefahr ausge-
setzt sind.
Die Princeton University macht sich
um die Kunstgeschichte sehr verdient durch
die Anlage eines umfassenden Kataloges
christlicher Kunst von der frühesten Zeit
bis zum 14. Jahrhundert. Werke aller
Zweige, Skulpturen, Gemälde, Miniaturen,
Textilien, Glas, Zeichnungen, Metallarbei-
ten, Medaillen, Münzen usw. werden in den
Katalog aufgenommen, und derselbe steht
Forschern aller Länder zur Benutzung
offen.
Die Yale University in New Haven

Der Cicerone, XVII. Jahrg., Heft 20

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