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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 20
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1038

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Ausstellungen

die Gattin Paul Cassirers, gemalt, ohne sehr
von dem fleischigen, naiv-animalischen Typ
seines Spätstils abzugehen; so ist es ein
kurioses Porträt geworden, das nach kurio-
sen Kriegsschicksalen schließlich doch den
Weg nach Berlin gefunden hat. Ein 1890
datiertes Blumenstück, kresserot, gelb und
rosa aufgleißend über schlangengrünen
Blättern, repräsentierte Renoir auch als
Stillebenmaler in hervorragender Weise.
Mit rund zwölf Werken erschien Manet,
dem berühmten „Spargelbund“ darunter
und den geistreichen Porträts des Richters
Dejouy und des Kunstkritikers Albert Wolff,
ferner einem mastenwimmelnden Hafen-
stück und der seltsam primitiv gehaltenen
Marine mit dem Dampfer Alabama, einem
Damenkopf in kultiviertesten Farbkreiden,
jenem Pastell Renoirs entsprechend, und
schließlich einem Großbild von 1881, auf
dem ein Biedermann im Jägerrock vor dem
erbeuteten Löwentier kniet im friedlichen
Schatten eines Buchenwaldes, und dies im
Ernst. Cezanne, der bei uns im allgemei-
nen viel besser zu sehen ist als Manet, war
demgemäß in ganz entscheidenden Beispie-
len vertreten. Dazu gehören der Mann mit
den untergeschlagenen Armen vor dunkel-
schiefergrauem Grund, bei demKubistisches
handgreiflich sich vordeutet, und die „Ma-
dame Cezanne“, die in ihrer schmalovalen,
spitzbogigen Symmetrie ganz und gar außer-
halb der impressionistischen Auffassung
steht. Ein Stilleben von schwarz-weiß-brau-
nem Dreiklang griff bis 1867 zurück, fünf
der besten kristallisch gebauten Landschaf-
ten dokumentierten das schließliche Wol-
len Cezannes. Von den Impressionisten im
engeren Sinne war Pissarro betont; neben
mehreren späten Bildern wie der verreg-
neten „Avenue de l’Opera“ von i8g8 in
ihrem blassen Flimmerton gab es vor allem
etliche Naturpoeme in der bis an die Grenze
des Nüchternen und Staubigen schlichten,
geradlinig gefügten frühen Art, so zwei grö-
ßere graubraun gestimmte Landschaften mit
der Jahreszahl 1874. Demgegenüber war
Monet nicht ganz seiner Bedeutung ge-
mäß, Sisley nur mit zwei Proben, freilich
dafür exzellenten Ranges, vorhanden. Das
Programm hatte van Gogh eigentlich aus-
geschlossen, aber mit der „Arlesienne“ war
eine Ausnahme gemacht. Für Lautrec
zeugte vor allem ein unglaublich kühn aus-
geschnittenes Theaterbild von beklemmen-
der Zuspitzung. Unter den Beispielen für
Degas ein Friesformat mit vier sich die
Sandalen bindenden Tänzerinnen und ein
traumhaft in allen Schmetterlingsfarben
glänzendes Balletteusengemälde, am faszi-
nierendsten aber eines der Pastelle, der

Schneeflockenwirbel so eines weißen Gaze-
wesens zwischen den Kulissen, eines der
beflügeltesten, hinreißendsten Stücke dieser
Art. Und zum Abschluß sei der vier kleinen,
samtdunklen, in Form und Ton dämme-
rungsschwer konstituierten DaUmiers er-
wähnt, deren Wand in dieser blendenden
Versammlung der heiligste Platz war. —
Außer einigen redlichen Konfektions-
skulpturen von Lewin-Funcke sah man
in der Kunsthandlung V. Hartberg wieder
eine Anzahl von Gemälden aus dem Nach-
laß Waldemar Röslers (1882—1916), des
wohl Stärksten und damals Verheißendsten
unter jenen deutschen Spätimpressionisten,
in denen ein für atmosphärische Farbwir-
kungen empfindliches Sehen dem Drängen
und Sträuben der Bodenformen und Mas-
sen Raum zu geben und in gesteigertem
koloristischen Ausdruck einer neuen unge-
stümeren, leidenschaftlicheren Naturauffas-
sung zu dienen begann. Die Folge zog deu
kurzen Entwicklungsweg Röslers eindring-
lich nach, abschließend mit dem eigentüm-
lich resigniert schauenden Selbstbildnis von
1914- —
An M ax Mayrshofer erinnerte gelegent-
lich seines fünfzigsten Geburtstages die
Galerie Wiltschek. In allerlei ganz hell
und freundlich, aber ziemlich unpersönlich
nach Münchener Atelierrezepten gemalten
Impressionen, die einmal etwas kräftiger,
ein andermal bläßlicher geraten, spürt man
so gut wie nichts von der verschrobenen
Eigenart des Künstlers, die erst in grotes-
ken Federspielen und schnurrigen Impro-
visationen winzigen Formates, in albtraum-
haften Selbstpersiflagen und verspukten
Kritzeleien zum Durchbruch gelangt. Da ist
es dann auch keineswegs nur das Abstruse
des Einfalls, sondern zugleich der zeich-
nerische Eigensinn und mitunter die un-
gemeine Zierlichkeit der Wiedergabe, was
berührt. Es war nett, den halb Verscholle-
nen einmal ins Licht zu rücken. Er bleibt
freilich ein schnurriger Lokalfall. —
In dei- Landsberg-Buchhandlung ein
paar kleinere Begabungsproben von Wal-
ter Marquard, zumeist Zeichnungen und
Aquarelle aus dem Küstenbereich, Dünen-
studien und Verwandtes, stark an van Gogh
angelehnt, dessen heftige Diktion in etwas
schematisch abgerundeten Wellen- und Ter-
rainkurven konventionalisierend. Im Far-
bigen geben diese Arbeiten wenig aus. Am
eindrücklichsten sprechen einige Porträt-
holzschnitte, die mit sparsamen weißen Aus-
hobelungen, in einer an Munch geschulten
Technik, charakteristische Züge festzuhal-
ten wissen. —
Im Schloßmuseum ist das in denWerk-

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