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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 20
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1040

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Ausstellungen

viel scheint mir jetzt schon sicher: wie die
Oper neben die Symphonie getreten ist als
eine Sache für sich, so dürfte die abstrakte
Malerei in ihren verschiedensten Ausfor-
mungen neben der übrigen Malerei die
nächsten Jahrzehnte oder Jahrhunderte ein
nicht anzufechtendes Leben führen. Mon-
drians Bilder, von denen Reproduktionen
leider keine Vorstellung zu vermitteln ver-
mögen, sind ein Stück Zukunft. — Von dem
Amerikaner Man Ray in Paris hängen ein
Dutzend photographische Experimente im
Nebenraum, in denen abstrakte Darstel-
lungen durch ein intellektuell temperiertes
Spiel des Zufalls entstanden sind, denen
ein seltener, vielleicht sogar produktiver
Formenreichtum eigen ist.
Bei E. Richter Graphiken, Zeichnungen
und Aquarelle von Bernhard Kretzsch-
mar. Es ist wiederholt, auch mit Abbil-
dungen, auf dieses junge Dresdner Talent
hingewiesen worden, das augenscheinlich
ohne Leichtigkeit, aber mit großem Ernst
und in der Stille seit zehn Jahren arbeitet.
Ein radiertes Selbstporträt, die Zeichnung
„Kinder“, das Aquarell „Mädchen vor dem
Hutladen“ erhärten das Vertrauen zu seiner
Entwicklung und beweisen, daß von der
Seite der Wirklichkeitsdarstellung her auch
heute noch die Möglichkeiten unerschöpf-
lich sind. Man würde Kretzschmar am ehe-
sten den Veristen zurechnen können, aber
innerhalb dieser Gruppe ist er eine Persön-
lichkeit für sich. Er ist weniger brutal als
sachlich und nicht ohne die Weichheit des
Proletariers, der jenseits des Hasses steht.
— Die Graphiken und Zeichnungen von
Georg Kind (Dresden) aus den letzten
Jahren tendieren vorläufig noch nach zu
vielen und zu verschiedenen Zielen, als daß
man sie positiv werten oder eindeutig be-
schreiben könnte. Kind ist in erster Linie
Bildhauer und als solcher eine Begabung;
die gegenwärtige Ausstellung soll wohl auch
mehr ein erweiternder Beitrag zur Kennt-
nis seines Schaffens sein. — Von Steffi
Kohl (München) eine kleine Auswahl kul-
tivierter Zeichnungen, denen etwas Parise-
risches, Dömehaftes anhängt; von Marta
Worringer Zeichnungen und Stickereien,
letztere von großer Einfühlung in die Welt
Marcs, jene noch schwankend zwischen
männlicher Pose und weiblicher Besinn-
lichkeit. W. Grohmann.
DIE CHINA-AUSSTELLUNG IN
AMSTERDAM
Jedes Land hat die China-Ausstellungen,
die es verdient. In Holland sieht so etwas
ordentlich, gepflegt und geschmackvoll aus.
Im städtischen Museum bilden die drei

Chinasäle die dritte Veranstaltung der „Ver-
einigung der Freunde asiatischer Kunst“.
Man sagt von den verdienstvollen Organi-
satoren, daß sie China in Holland zum
erstenmal zeigen. Das sagte man seit igi4
dort bei jeder Gelegenheit, wohl auch vor
zwei Jahren, als der Kunstsalon Kleykamp
im Haag u. a. den ganzen Bestand des Yi
Yuan-Museums vorführte. UmMißverständ-
nisse zu vermeiden, sollte man endlich die
unwiderruflich erste China-Ausstellung ver-
anstalten. Was die letzte anbelangt, so ist sie
eine Art Ei des Kolumbus. Sie vermindert
die Pariser Frühjahrsausstellung, die unter
Leitung des Kunsthändlers Vignier stand,
um Verkäufliches, Grenzgebiete und leider
auch um einige Hauptstücke ausländischer
Sammler, vermehrt dafür um die Malereien
des Berliner Museums. Seinen unvergleich-
lichen Bestand verdankt Deutschland der
Sammeltätigkeit Ernst Großes, es braucht
aber kaum geschildert zu werden, mit wel-
cher Feierlichkeit man diesen Namen wie-
der verschwiegen hat. Die Auswahl war in
Amsterdam ziemlich streng. Im Eingang
machte man allein mit einem schönen
Khmer-Stück einen geographischen Seiten-
sprung, offenbar um die Sammlung von der
Heydt vertreten sein zu lassen. Deren chi-
nesische Plastiken fehlen aber. Infolgedes-
sen sieht es so aus, als ob das östliche
Festland nur minderwertige Skulpturen
hervorgebracht hätte. Offenbar wollte man
das auch beweisen, denn in Berlin hört
man das gerne. Was sich in Paris genial
und unordentlich in schlechten Vitrinen
drängte, tritt in Amsterdam in seiner ganzen
Schönheit aus prächtig einfachem Rahmen.
Alfred Salmony.
BRASILIEN
Der russische Maler Lasar Segall, der
fast fünfzehn Jahre in Deutschland war und
seit zwei Jahren in Brasilien lebt, hat in
San Paolo und Rio de Janeiro Ausstellun-
gen gemacht, die erhebliches Aufsehen er-
regten und zu lebhaften Diskussionen führ-
ten. Einige Werke wurden von Privat-
sammlungen erworben. Die Privatgalerie
Penteado hat ihm die Ausgestaltung ihrer
Räume übertragen. „Revisto do Brasil“
brachte einen Aufsatz von ihm über den
Stand der gegenwärtigen Kunst. Es scheint,
als ob in den größeren Städten Brasiliens
das Interesse für die Kunst des 20. Jahr-
hunderts im Wachsen wäre, während man
bis vor kurzem über den Impressionismus
nicht hinausging. Im Hause des Senators
Freytes Valle und im Salon der Frau Pen-
teado finden sich allwöchentlich die Ver-
treter der Intellektuellen und der Künstler-

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