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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 21
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1088

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Ausstellungen

keiten in der Auffassung und in der Tech-
nik ihnen das Tor der Neuen Sachlich-
keit geöffnet hätten. Von einer neuen
kunstwissenschaftlichen Erkenntnis pro-
fitieren halt immer ein paar mit, die sonst
nie eine Einordnung gefunden hätten. —
In den übrigen Räumen des Kunstvereins:
W. Steinhausen f und Otto Schubert.
Bei Erfurth hängen Gemälde und Aqua-
relle Max Pechsteins aus der Schweiz
und Italien (1924—25). Es ist ganz offen-
bar, daß Pechstein sich neu orientiert, nicht
einer neuen Sachlichkeit, sondern einem
derben Impressionismus entgegen, der an
den Errungenschaften der letzten 25 Jahre
nicht vorbeigeht. Der Corinth der späteren
Zeit, der für manchen Jüngeren zum An-
reger geworden ist, scheint bei der Wand-
lung Pechsteins Pate gewesen zu sein. Der
Genfer See (Montreux am Abend) hat Be-
ziehungen zu seiner Farbe, nur daß ihr
die Süffigkeit des Meisters fehlt. Auf der
Suche nach neuen Wegen kamen einige
Maler um igoo zum gespachtelten Farben-
auftrag, der die Bröckligkeit des Impressio-
nismus vermied, die feste Form aber noch
nicht geben konnte. An diese Bilder wird
man erinnert angesichts der neuen Por-
träts, Figurenbilder und Landschaften.
Sollte Pechstein, von seinen eigensten Ent-
wicklungsmöglichkeiten durch stärkere
Kräfte abgedrängt, zur eigenen Natur zu-
rückkehren? Auf alle Fälle gibt die um-
fängliche Ausstellung zu denken. Unter den
Aquarellen fallen ein paar auf (Kokotten
z. B.), die dickflüssiger in Farbe und Aus-
druck sind, als man es von Pechstein ge-
wöhnt ist. Ob Pechstein die Leichtigkeit
des Handgelenks überwindet? Wer für
diesen Maler Interesse hat, wird voller
Fragen die Ausstellung verlassen.
Will Grohmann.
MÜNCHEN
Wegen längerer Abwesenheit mußte ich
Einiges versäumen, so auch die große
Ausstellung bei Thannhauser, in der nicht
weniger als 70 Gemälde und etwa 25 Zeich-
nungen von Hodler zusammengebracht
waren, also eine der stattlichsten Hodler-
darstellungen vorlag, die Deutschland letzt-
hin sah. An gleicher Stelle erblickte man
diesmal etwa 50 Arbeiten von Willi No-
wak, den man aus Münchens Neue Se-
zession kennt. (Ölbilder, Aquarelle, farbige
Lithos.) Er bemüht sich um eine geschicht-
liche Variante Renoirs, dessen weiblicher
Hingegebenheit er nicht nur im Gegen-
ständlichen nachgeht, wozu keckere Defor-
mierungen der folgenden Generation kom-
men, schließlich ein dämpfendes Grau tritt,
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das eine Art Grisaillemalerei mit aufblühen-
wollender Farbigkeit verbindet, hierin wohl
etwas zart Gehemmtes erstrebend, oft ge-
nug aber auch schmutzig wirkend, ähn-
lich Lasser, einem anderen Münchner Se-
zessionisten. Die Arbeiten erreichen biswei-
len einen französischer Kunst nahestehen-
den Charme, manchmal auch innerliche
Lieblichkeit, manchmal aber bleiben sie
auch — Fleisch ist z. B. selten Fleisch —
noch im virtuosen Dekorieren hängen.
Auch würde eine gefestigtere, durchhalten-
dere Plastizität nichts schaden, wie man
am nebenan gehängten Spanier Togores
sehen kann, der auch das weiblich anmut-
volle, dabei farbgedämpfte sucht, aber grö-
ßere Reinigung der Komposition, stetigeres
Zeichnen und Modellieren, daher mehr Zu-
kunft für sich hat. Leider ist nur weniges
von ihm zu sehen. Auch Wilhelm Wag-
ner, der mit Ölbildern und Graphik auf-
tritt, fehlt oft noch die gereinigte, sparsame
Rückführung auf die notwendige, eindeu-
tige Körperform, der alle Weiter drängen-
den als einer vernachlässigten Größe wie-
der zustreben. Die Ölbilder und einige
kleine Landschaftsradierungen sind end-
gültiger als die ausgestellten Aquarelle.
Mehr Geschlossenheit der Masse (wie etwa
bei dem nebenan hängenden, wahrlich
auch aufs Malerische gehenden Vlaminck,
könnte Wagner, einem jedenfalls natürlich
gebliebenen Talent, nichts schaden.
Bei Goltz zeigte Erich Glette Aquarelle
aus Brasilien. Flier fehlt es noch weit mehr
an zusammenfassender Raumkraft. Zu viel
ist auf den Blättern drauf, alles erscheint zu
gesprächig. Die Farben sind, als ob Asche
über Buntes gekommen wäre. Einige (gute)
Arbeiten Pechsteins wirkten hiergegen,
als ob er es sei, der in Brasilien säße, wäh-
rend der andere im nervös beunruhigten,
grauen Berlin lebe. So wenig hängt innere
Auffassung mit den Gegebenheiten von
Ländern zusammen. Auch drei Arbeiten Al-
bert Hommels enttäuschten. Albert Köh-
ler zeigte hingegen Dinge, die zwar kein
starkes, aber doch ein zart gestuftes, weib-
lich wohliges Farbsystem entfalten, blond,
blumig in der Malerei etwa der Stilleben,
dabei in Auseinandersetzung mit dem
struktiv bindenden Gefügen neuerer Zeit,
manchmal aber auch im mild Dekorativen
bleibend, besonders in früheren Arbeiten.
Am fesselndsten eine Zusammenstellung
von Werken Ittens, die wohl das dra-
stischste Beispiel des jähen Überganges der
neuesten Malerei Europas darstellen. Zu-
erst ganz abstrakte Kurvaturen aus der Zone
des „Bauhauses“, wo er früher wirkte;
neuerdings eine penibel sich ans Gegen-
 
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