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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 22
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Gravenkamp, Curt: Ernst Fries: ein Beitrag zur Bildkunst der Romantik
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1102

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führenden Meister der romantischen Landschaftskunst ließ der Betrachtung
als einziges materielles Symptom den Charakter der dargestellten Landschaft
übrig. Aber auch hier ist die Gefahr groß, in diesem wieder den Schwer-
punkt des Ganzen zu sehen, ohne daß die Ausdrucksform restlos zum Maß-
stab des künstlerischen Temperaments erhoben wird, so daß die Frage noch
zu beantworten bleibt, wieweit jenes die Realität der Natur zu einer Roman-
tik des Geistes umzugestalten befähigt war.
Es scheint mir, daß eine bisher wenig beachtete Persönlichkeit aus dem
Kreise der Heidelberger Romantik über die Leistung der Landschaftsmalerei
innerhalb der Romantik gerade nach der Seite ihrer Formensprache hin die
Klarheit vermittelt, die zur Festigung der Einsicht in das, was romantische
Form auf dem Gebiete der bildenden Kunst sei, wesentlich beitragen kann.
Ernst Fries wurde erst durch die Ausstellung „Heidelberger Maler der
Romantik“, die das Kurpfälzische Museum der Stadt Heidelberg im Sommer
1919 veranstaltete, der Öffentlichkeit bekannt. Er wurde am 22. Juni 1801 als
Sohn des reichen Krappfabrikanten Chr. A. Fries in Heidelberg geboren.
Schon früh erhielt er starke künstlerische Anregungen, zunächst durch die
Bildergalerie der Brüder Boisseree und die Gemäldesammlung seines Vaters,
der besonders die Meister der niederländischen Landschaft und die der
klassisch-heroischen Richtung sammelte. Um 1810 erhielt er seinen ersten
künstlerischen Unterricht, gemeinsam mit Karl Rottmann und Karl Philipp
Fohr bei Friedrich Rottmann in Heidelberg, 1812 bei Karl Kuntz in Karls-
ruhe; 16 jährig kam er bereits nach München und unternahm seit 181g größere
Studienreisen an die Bergstraße und an den Rhein, in die Württembergischt
Alb und in die Schweiz. Von 1823—1827 war er in Italien, und hier entwickelte
sich seine Kunst zu höchster Reife; Florenz, Rom und Neapel waren die
Stätten seiner Wirksamkeit, und seine Hauptanregungen empfing er von der
italienischen Landschaft selbst, weniger von J. A. Koch, Richter, Reinhold,
Karl Rottmann, Wallis und Schilbach, zu denen er nur flüchtig in künst-
lerische Beziehung trat. 1827 kehrte er in die Heimat zurück, 1831 wurde er
zum Hofmaler des Großherzogtums Baden ernannt und stand jetzt auf der
Höhe seiner Wirksamkeit. Viele Bildaufträge des In- und Auslandes ergingen
an ihn. Mitten in seiner glänzenden Laufbahn ergriff ihn das Scharlachfieber,
an dessen Folgen er im Alter von zweiunddreißig Jahren am 11. Oktober 1833
starb. — Es ist merkwürdig, wie die drei Hauptabschnitte seines Lebens: die
voritalienische, die italienische und die nachitalienische Zeit sich auch inner-
halb seiner künstlerischen Entwicklung scharf voneinander absetzen und
zugleich die Etappen bezeichnen, welche den Fortgang der bildenden Kunst
bis in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts bestimmen. Wir wählen aus
dem reichen Gesamtwerk des Künstlers, das rund fünfhundert Arbeiten um-
faßt, zwölf Zeichnungen aus, an denen wir seinen Entwicklungsgang aufzu-
zeigen versuchen. Wu schließen in diesem Überblick die Ölgemälde aus,
weil sie sein Viesen erst in den letzten Lebensjahren eindeutig ausdrücken,
und weil ihm die Zeichnung überhaupt unmittelbarer entspricht.
Die Bleistiftzeichnung der Weinlaubranke (Abb.) aus dem Jahre 1819
stellt eines der ersten Zeugnisse für die Grundnote der Friesschen Kunst
dar, sich der Natur rein mit dem Augensinn anzunähern; typisch für die frühe
Entstehungszeit ist es, daß nicht ein das ganze Wachstum erfassender großer
Linienzug diese Pflanzenranke neugestaltet, sondern daß in dem Sonderdasein
jedes Blattes und jedes Teils des Stengels das eigentliche pflanzliche Leben
zum Ausdruck gebracht wurde; das Minimum an wirklich gestalteter Form
in den zarten, ohne merklichen Druck geführten Konturen ist mehr Erzeug-

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