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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 23
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1165

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R U N D S C

HAU

Sammlungen
EIN NEUES MUSEUM IN VERONA
Zur Zeit wird das alte Scaliger Kastell
an der Etsch (erbaut um 1350 von Can-
grande II.) von Grund auf restauriert und
vor allem von den vielen Einbauten be-
freit, die infolge der letzten Verwendung
desselben als Kaserne (seit 1817) die mittel-
alterliche Architektur im Innern schwer ge-
schädigt hatten. Dafür hat man in dem wei-
ten Hof einen einfachen gotischen Saal-
bau errichtet, der dazu bestimmt ist, einen
wesentlichen Teil des neuen „Museo per
l’arte mediaevale e pel rinascimento“ auf-
zunehmen, das in Bälde auch in den übri-
gen Räumen dieser vielleicht schönsten ita-
lienischen Stadtburg' eine dauernde Stätte
finden soll. Damit würde das bisherige
Museo civico im Pal. Pompei sehr erheb-
lich entlastet werden und auch die kost-
baren Gemälde dieser Sammlung eine neue,
würdigere Möglichkeit der Aufstellung er-
halten, als sie in den letzten Jahren be-
stand. Aber es wird nötig sein, daß viele
dieser Bilder, die wie der große Mantegna
aus San Zeno unsagbar gelitten haben, erst
einem verständigen Restaurator anvertraut
werden, der angesichts des Zustandes vie-
ler Bilder eine schwere Arbeit haben dürfte.
(Auch der kleine Rosengarten des Stefano
da Zevio — der Katalog nennt ihn „il ro-
seto mistico“ — schreit geradezu nach dem
Restaurator.) Vor allem wäre bei dieser.
Gelegenheit die Feststellung äußerst er-
wünscht, wieviel Nazarenertum an gewis-
sen Köpfen der Veroneser Malerschule
klebt, da z. B. die Gesichter der Erzengel
von Franc. Caroto und auf anderen Bildern
des Künstlers im ersten Drittel des ig. Jahr-
hunderts stark übermalt sein dürften. Erst
wenn die Bilder des alten Museo civico
fast ausnahmslos durch sachkundige und
gewissenhafte Restauratoren auf Herz und
Nieren geprüft, gereinigt oder auch rentoil-
liert worden sind, werden sie wieder wert
sein, die Veroneser Malerschule neu an
einer so herrlichen Stätte zu repräsentieren.
Denn dies neue Museum im Scaliger Ka-
stell, das in allen Teilen seinen ursprüng-
lichen Charakter zurückerhält, das nach
Lage und Form unvergleichlich ist, kann
eine der schönsten Sammlungen in Italien
überhaupt werden. Vierzig Familien aus
den alten Geschlechtern von Verona haben
freudig die Wiederherstellung je eines der
gotischen Gemächer übernommen und hier-
her sind bereits viele jener bekannten Fres-
ken aus den Bürgerpalästen verbracht wor-

den, die dort unrettbar dem Untergang ver-
fallen wären. Ich habe über diese und an-
dere Dinge ausführlicher in der Kölnischen
Zeitung (Literaturblatt vom 2g. X.) in einem
Aufsatz „Vom römischen und mittelalter-
lichen Verona“ berichtet und die bisher ge-
leistete vorbildliche Arbeit des Veroneser
Museumsdirektors Avena, dem sein Kol-
lege Vignola, heute Vizebürgermeister der
Etschstadt, beratend zur Seite steht, dank-
barst begrüßt. Denn das bisher Geleistete
macht auf die Vollendung des Ganzen ge-
spannt. Bis Ende des Jahres will man die
architektonischen Aufgaben der Restaura-
tion pp. beendigt haben. Dann soll die Ein-
richtung des Museums beginnen, das man
im Frühjahr eröffnen zu können hofft. Aber,
verehrter Herr Avena, vergessen Sie für
Ihre Bilder den Restaurator nicht.
Biermann.
DARMSTADT
Neuerwerbungen des Landesmuse-
ums. Die Sammlung der mittelalterlichen
Skulpturen konnte durch zwei Werke von
außerordentlicher Bedeutung bereichert
werden.
Da ist zunächst ein bildnishafter Stein-
kopf des 13. Jahrhunderts (im Friedberger
Saal ausgestellt) aus dem Kreis des großen
Unbekannten, den wir hinter den herr-
lichen Schöpfungen in Naumburg und
Mainz fühlen: nicht nur monumental auf-
gebaut wie die Köpfe vom Mainzer West-
lettner und das Beste in Naumburg, son-
dern zugleich unter schärfster Beobach-
tung und Vergegenwärtigung des Einzel-
nen und Individuellen zu einem für die
Zeit unvergleichlich reich bewegten Le-
ben der Oberfläche herausgearbeitet, das
uns als Ausdruck einer schicksalschweren
Seele ergreift. Der besondere Stil der Ar-
beit, der zunächst Bedenken gegen die Zu-
weisung ins 13. Jahrhundert hervorrief, wird
die kunstgeschichtliche Forschung noch
sehr beschäftigen.
Aus der Epoche lebendigsten Natur- und
Weltgefühls, in der dieses Werk entstan-
den ist, versetzt eine Maria mit dem Kind
(im Kirchenraum aufgestellt) in die inner-
liche, das Jenseits suchende Strömung, die,
nach einem alten Gesetz geschichtlichen
Lebens, die Weltfreude der Stauferzeit ab-
löste. Die Weltferne der deutschen Mystik
hat Phantasie und Hand des Holzschnit-
zers geleitet. Der Körper Marias ist ver-
schwiegen; seinen organischen Aufbau er-
setzt ein zarter Schwung der Haltung, die
Falten des Gewandes sprechen, steigend
und fallend, sich senkend und hebend, me-

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