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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 23
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1178

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pern müsse, der sich die Besten unserer
Zeit hingeben, so müssen die kulturellen
Grenzen zwischen Volk und Volk nieder-
gelegt und in geistigen Dingen jene Politik
der offenen Tür geführt werden, die auch
in wirtschaftlichen anzustreben sei. Die be-
sondere Aufgabe Belgiens sei es, zwischen
den beiden fremden Geisteszonen in Eu-
ropa der Bindestrich zu sein und gewisse
Gegensätzlichkeiten, die sie scheiden, zur
Versöhnung zu bringen. F.M.H.
JAHRBÜCHER
Design in modern industry. The year-
book of the Design and Industries Asso-
ciation ig22—24. London. Ernst Benn.
2. Bde.
Die Vereinigung von Künstlern, Industri-
ellen und Händlern, die 1915 in London
unter dem Namen „Design and Industries
Association“ gebildet wurde, ist eine ge-
schickte Nachahmung des Deutschen Werk-
bundes. Sie verfolgt dieselben Aufgaben
wie der Deutsche Werkbund, indem sie
die Veredelung des Kunstgewerbes und der
Industrie in einer Gesinnung betreibt, die
an die älteren Reformen der Ruskin und
und Morris anknüpft und über sie — in der
richtigeren Einschätzung der maschinellen
Arbeit — hinausgeht. Daß die energischen
Bestrebungen des deutschen Werkbundes
und der Erf olg der deutschen künstlerischen
Leistungen den Anlaß zu der Gründung
der englischen Vereinigung geboten haben,
ist ja allgemein bekannt, aber von dem,
was in England seitdem tatsächlich erreicht
worden ist, gelangte nur spärliche Kunde
über den Kanal herüber.
In den zwei vorliegenden Jahrbüchern,
deren erstes (ig22) von C. H. Collins Baker
eingeleitet ist, und deren zweites, die Ar-
beit von ig23 und ig24 umfaßt, werden in
vorzüglichen Aufnahmen eine Menge Er-
gebnisse des Handwerks und der Industrie
vorgelegt, bei denen die „fitness for pur-
pose“ in guter Form und zurückhaltender
Auszierung deutlich hervortritt. Durchgän-
gig handelt es sich um Werke guter Qua-
lität — Architektur, Einrichtungskunst, Mo-
biliar, Keramik, Kleidung, Textilien, Buch-
kunst, Reklame, Schiffsbau usw. — und es
tritt uns im allgemeinen ein Stilgefühl ent-
gegen, das grundsätzlich dem deutschen
verwandt ist, da englische Atavismen der
Formgebung nicht vordringlich auftreten.
Nüchterne Sachlichkeit bei gutem Material
und guter Werkarbeit geben den Erzeug-
nissen der fortschrittlich gesinnten Hand-
werker, Künstler und Industriellen ein über-
nationales Gepräge. Über einzelnes läßt
sich natürlich streiten. Wer in der Klei¬

nen Kunstausstellung auf der Imperial Ex-
hibition in Wembley die Gruppe Kunst-
gewerbliches Arbeiten durchmustert hat,
weiß, wie Vortreffliches England in seiner
keramischen Kunst, in seinen Glaswaren,
in den Flachmustern der Stoffe, besonders
in seiner Buchkunst heute leistet. Aber er
wird auch merken, wie viel Anregungen die
Engländer gewonnen haben aus dem, was
von Deutschland und Österreich, ja selbst
was die exotische Dekorationskunst Ruß-
lands hervorgebracht haben. Ohne Zwei-
fel sind die Bestrebungen zur Veredelung
des Gewerbes in Deutschland intensiver am
Werke und sind die graziösen Qualitäts-
waren der Wiener erfolgreicher als das
was England zur Zeit auf diesem Gebiete
zu bringen vermag. Man braucht nur die
verschiedenen Werkbundbücher und das
der Österreicher neben die beiden engli-
schen zu legen, um zu erkennen, auf wel-
cher Seite die größere Kühnheit und schär-
fere Durchbildung der künstlerischen Auf-
gaben oder die reichere Gestaltungskraft zu
finden sind. Offenbar steckt im neuen eng-
lischen Kunstgewerbe, das rückblickende
„period decoration“ ebenso verwirft wie ex-
pressionistische ,,stunts“ und dennoch
einen gewissen Zusammenhang mit der
gutbürgerlichen Tradition Altenglands auf-
recht erhält, eine starke Werbekraft, aber
trotzdem ist der Kampf gegen die ge-
schmacklose Massenware und den Kitsch
in England nicht geringer als auf dem Kon-
tinent. Der Herausgeber hat die Bedeutung
des englischen Werkbundes gut ausein-
andergesetzt, und wenn er auch einmal
spricht von „dreamers in Jaeger sweaters
with blue eyes fixed on supra-mundane
peaks“, so wird er doch wohl anerkennen,
daß wir unter sehr viel schwierigeren Ver-
hältnissen zu sachlich einwandfreien Re-
sultaten kommen konnten und wach ge-
blieben sind, um weiter zu arbeiten und.
nicht zu verzagen. Graul.
Münchener Jahrbuch der bildenden
Kunst. Neue Folge. Band I. Heft 1. ig24.
Verlag D. W. Callwey, München.
Das mir vorliegende i.Heft des Münche-
ner Jahrbuches verrät eine beachtenswerte
Vielseitigkeit des Stoffes. Abgesehen von
kleineren Aufsätzen — Johannes Sieveking
bringt wertvolle Eingliederungsversuche
der Herakles-Statuette der Sammlung James-
Loeb, eine vorzügliche Arbeit der römi-
schen Kaiserzeit; Hans Karlinger bespricht
Kapitelle und Relief des ehemaligen Soln-
hofener Münsters (um 1070); Engelbert Bau-
meister behandelt eine alte Streitfrage, die
Tizianischen Originalzeichnungen, insbe-

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