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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 23
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1182

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Verschiedenes

1924 noch unorganischer als 1914. Medizi-
nisch psychologische Analyse, die zu lok-
ker ist, um treffend zu sein, und die Genea-
logie der vier Cäsarenhäuser bilden die
sachliche Grundlage der wenig systemati-
schen Bändchen. Interessant ist, daß in
einem Vergleich Wilhelm II. mit dem
„weitschauenden, hoch intelligenten und
kraftvollen Hadrian“ der römischen Kaiser
doch unbedingt den kürzeren zieht. Die
wilhelminische Kunstperiode wird in benei-
denswerter Naivität neben die römische ge-
stellt. S. Sch.
Verschiedenes
NEUE MICHELANGELO-
FORSCHUNGEN
ErnstSteinmann veröffentlichte im Juli-
heft des Bollettino d’Arte einen Auf-
satz über die Kartons des Michelangelo,
durch den unsere Kenntnis dieses noch we-
nig geklärten Problems der Michelangelo-
forschung nicht unwesentlich gefördert
wird. Die Ergebnisse der Untersuchung
sind in Kürze folgende: Der Besitzwechsel
des heute im British Museum befindlichen
Kartons der „Epifania“ kann jetzt im ein-
zelnen lückenlos durch die Jahrhunderte
verfolgt werden. Aus dem Nachlaßinventar
Michelangelos wurde er von Leonardo
Buonarroti dem Notar geschenkt, der die
Erbschaftangelegenheiten geregelt hatte.
Aus dessen Händen gelangt er in die Samm-
lung des Fulvio Orsini und geht im Jahre
1600 als „Madonna mit S. Giuliano“ in den
Besitz der Farnese über. Der König von
Neapel, der bourbonische Erbe der Far-
nese, macht den Karton um 1750 dem Kar-
dinal Valenti zum Geschenk, aus dessen
Palast er später in die Sammlung Lucien
Buonaparte übergeht. Mit dem größten Teil
dieser Sammlung gelangt er 1812 nach Eng-
land und läßt sich hier über die Besitzer
Lawrence, Woodburn, J. Malcolm bis ins
British Museum verfolgen. Über den rätsel-
haften Sinn der Darstellung, die Thode als
Madonna mit dem Propheten Jeremias zu
deuten versuchte, die im Inventar von 1564
„Epifania“ und in dem von 1600 „Madon-
na mit S. Giuliano“ hieß, weiß uns auch
Steinmann nichts zu sagen und läßt das
Problem für spätere Forschungen offen.
Für den in Neapel bewahrten Karton der
Venus mit Cupido ergibt sich ebenfalls eine
geschlossene Besitzerkette. Michelangelo
schenkte den Karton dem Bartolomeo Bet-
tini, bei dessen Erben er auch noch er-
wähnt wird. Später gelangt er in die Samm-
lung Orsini und geht mit der „Epifania“ in

den Besitz des Kardinals Odoardo Farnese
über. Erst 1759 wird er aus dem Palazzo
Farnese nach Neapel gebracht. Im Inven-
tar dieses Jahres ist er zwar als Bild er-
wähnt, aber in anderen Inventaren von 1697
und 1799 — jetzt im Museo di Capodimonte
in Neapel — als Karton bezeugt. Sprechen
hier also die Quellen für die Originalität
des Neapler Kartons, so möchte doch die
stilistische Untersuchung manche Zweifel
aufkommen lassen. Einen gleichen Weg
nimmt ein dritter Karton mit den drei nach
hinten eilenden Kriegern aus der Bekeh-
rung Pauli der Paolinischen Kapelle. Der
in Neapel eben wieder zur Ausstellung ge-
langte Karton (h. 2,63 b. 1,56), eine der wun-
derbarsten Schöpfungen des Alterstiles Mi-
chelangelos, ist bisher der Forschung so
gut wie entgangen (nur erwähnt bei Thode
V, 260/1) und nie publiziert worden. Haben
wir auch den Untergang fast aller Kartons
des Meisters beklagen — nichts ist erhal-
ten vom Karton der Badenden, von den
Sixtinakartons, dem Cavalieriporträt, den
Kartons für das Noli me tangere und die
Leda noch von g im Nachlaßinventar auf-
gezählten Stücken —, so müssen wir um so
dankbarer sein, daß eine so köstliche Reli-
quie der späten Kunst Michelangelos heute
der Welt und der Wissenschaft zurückge-
schenkt ist. /?. Wittkower.
DAS SCHICKSAL DER FRÜH-
WERKE VAN GOGHS
Der Amsterdamer Schriftsteller Benno J.
Stokvis hat sich in die Provinz Brabant be-
geben, um festzustellen, inwieweit man sich
dort noch auf Vincent van Gogh besinnt.
Aus seinen Forschungsergebnissen, die er
im „Groene Amsterdamer“ mitteilt, dürfte
insbesondere das Schicksal interessieren,
das Vincents früheste Arbeiten erfuhren.
Als der Maler Holland verließ, um in Ant-
werpen zu studieren, ließ er sein Atelier in
Nuenen vollgepfropft mit Arbeiten zurück.
Die Arbeiten wurden durch die Familie ein-
gepackt; die Kisten nahm ein Zimmermann
in Breda in Aufbewahrung. Da die Kisten
nicht wieder abgeholt wurden, überließ der
Zimmermann „mit anderemGerümpel“ ihren
Inhalt einem Altwarenhändler für insgesamt
3 Gulden. Die Masse bestand aus sechzig
Ölgemälden, eingerahmt, hundertundfünfzig
ungerahmten Ölgemälden, zwei Mappen mit
ungefähr achtzig Federzeichnungen und
hundert bis zweihundert Kreidezeichnun-
gen. Etwa hundert Kreidezeichnungen wur-
den als wertlos betrachtet und zerrissen.
Einige der größeren Ölgemälde wurden an
eine Lumpenstampfe nach Tilburg verkauft.
Die Aktzeichnungen mußte der Altwaren-

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