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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 23
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1185

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Der zweite Tag brachte vormittags den Verkauf von Renaissanceskulpturen,,
wobei das große farbige Stukkorelief in altem Tabernakelrahmen (aus Sammlung Bek-
kerath, Berlin), Madonna mit Kind von Andrea della Robbia (Kat.-Nr. gs), von Artaria
(Wien) für 13000 fl. erworben wurde, die beiden knienden Terrakottaengel, Florentiner
Arbeit des 15. Jahrhunderts (aus Sammlung Kaufmann), 6000 fl. (Kat.-Nr. 102), sowie Mar-
morrelief, Männerkopf von Raibolini (aus Sammlung Beckerath), (Kat.-Nr. 104) von A.
S. Drey München), 7400 fl. — Prof. Lanz (Amsterdam) erwarb Nr. 122, Marmorrelief
eines Prälaten, Mailänder Arbeit des 16. Jahrhunderts, für 3400 fl.—Fred. Muller im Auf-
trag Nr. 128 eine Holzfigur, heiliger Martin, süddeutsch, um 1500, für 4500 fl.
Am Nachmittag kam die — durch die Publikation von Dr. Planiscig bereits bekannte
— Bronzensammlung zum Verkauf. Das Hauptstück (Kat.-Nr. 10), eine wundervolle
Replik der kapitolinischen Wölfin, italienische Arbeit aus der Mitte des 15. Jahrhunderts,
kam gegen das Gebot französischer Händlerin die Hände von Hofrat Hirsch (Genf) beim
Preise von 47000 fl. — Ein äußerst seltenes Stück von herrlichster Patina war Bronze
Nr. 4g, Negerin mit Spiegel von Alessandro Vittoria, das Stettiner (Paris) für 16000 fl.
kaufte (das gleiche Modell — jetzt im Musee du Louvre, Paris — erzielte auf Vente Mar-
quise de Gannay, Paris, Mai ig22, 13000 fl.).— Sonstige bemerkenswerte Bronzenpreise:

Kat.-Nr. Gulden
i Eine stehende Gottheit. Ital., 5. Jahrh. (Hofrat Hirsch, Genf).12000
26 Riccio, Ziege (Brimo, Paris) .6600
12 Stehendes Reh.6100
18 Dornauszieher (A. S. Drey, München).33°°
32 Franc, da Sant’Agata, Herkules (F. Muller).12400
33 Schreitender Stier (Prof. Lanz, Amsterdam).4300
37 Franc. San Gallo, Bärtiger Mann (A. S. Drey, München).4200
54 Aspetti, Neptun (Hirschler, Amsterdam).33°°
72 Simson einen Philister erschlagend.4200
80 Jean de Boul., Herkules und Antaeus (Fred. Muller).gioo
82 Vogelfänger (vergoldet) .2500
85 Großer Stier, schreitend.3800
108 Deutscher Mörser, 15. Jahrh. (A. S. Drey, München).2600
129 Pisanello, Medaille Malatesta. 4800

Beim Verkauf der Renaissancemöbel am folgenden Tage waren die interessante-
sten Stücke aus Sammlung Miller Aichholz (Wien), von diesem in Italien vor etwa vier
Jahrzehnten erworben, und waren vor allem unter den Truhen reizvoll schöne und
einwandfreie Stücke, wie sie heute nur noch recht selten auftauchen. Die beiden mit In-
tarsien eingelegten, auch in Form äußerst feinen Florentiner Truhen (Nr. 147 und 148)
erwarb Prof. Lanz (Amsterdam) für 7500 fl., von den bemalten Truhen Bondy (Wien)
Nr. 144 für 3600 fl., Museum Kopenhagen das wundervolle Stück (Nr. 150) mit den bei-
den Engelsköpfen und Mitte Wappen für 5800 fl. und A. S. Drey (München) die Sien-
neser Truhe mit vergoldetem Stukko für 4300 fl. — Von den Stühlen war das er-
lesenste Stück der berühmte Savonarola-Stuhl mit Perlmutterintarsien aus Sammlung
Oppenheim (Köln), der 12400 fl. (Kat.-Nr. 147) aufbrachte.
Möbel des 18. Jahrhunderts waren auch numerisch nur schwach vertreten; der
kleine französische Damenschreibtisch, aus Rosenholz, Bronze montiert, Louis XV.
(Nr. 226), brachte 6600 fl., das Kanapee mit Tapisserieüberzug Louis XV. (Nr. 220),
3100 fl., die beiden Tapisseriefauteuils (Nr. 221) 3200 fl.
Anregender verlief wieder der Verkauf der Tapisserien. Die vlämische Renais-
sancetapisserie, biblische Szenen, Nr. 266, ging an Brimo (Paris) für 10100 fl., die vier
Brüsseler Tapisserien „Kinderspiele“ aus Sammlung Princesse Mathilde, Nr. 270, an
Bernheimer (München) für 30000 fl. — Aubusson-Tapisserie nach Boucher von Picon
Nr. 275 an Prinzen Leopold von Preußen für 11500 fl. — Die große Beauvais-Tapisserie
Nr. 276 mit Schäferszenen nach Boucher brachte — da bereits etwas fahl in den Far-
ben — nur 33800 fl. auf (Käufer: Duveen, Paris).
Der Verkauf der Stoffe, Teppiche sowie der wenigen Kunstgegenstände er-
zielte keine besonders bemerkenswerten Preise, das Niveau der hiesigen erreichten
Preise hielt sich fast durchwegs nur auf mittelmäßiger Basis.
Unter Berücksichtigung dessen, daß die Sammlung verhältnismäßig nur kurze Zeit
in einer Hand gewesen ist — vereint ungefähr in den Jahren igi6 bis ig22, im wesent-
lichen aus Besitz der Sammlung Miller-Aichholz (Wien), aus Käufen auf Auktion
Beckerath, Kaufmann, Oppenheim, Knaus und Onnes van Nijenrode sowie aus öster-
reichischem, deutschem und italienischem Kunsthandel —, begonnen zu einer Zeit (we-
nigstens scheinbar) allgemein steigender Konjunktur, zum Verkauf gestellt im Augen-
blicke schwerer Erschütterungen für Handel, Industrie sowie auf dem Finanzmarkte —}

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