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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 24
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Dorner, Alexander: Erwerbungen neuerer Kunst im Museum der Provinz Hannover
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1189

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Erwerbungen neuerer Kunst im
Museum der Provinz Hannover

Mit zwölf Abbildungen auf sechs Tafeln Von ALEXANDER DÖRNER


DIE Neuordnung der Kunstsammlungen im Museum der Provinz Hannover
bedeutet so viel wie die Schaffung eines neuen Kunstmuseums. Denn die
frühere Aufstellung der mittelalterlichen Sammlungen kam einer Magazinie-
rung gleich: in halbdunklen Räumen in völligem Durcheinander aufgestapelt,
ihre besten kunstgewerblichen Stücke in Schränken verpackt, war sie der
Öffentlichkeit eigentlich unzugänglich. Die guten Stücke der alten und neuen
Fideikommiß-Galerie des Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg ertranken
in der Unzahl des Minderwertigen; dasselbe galt für die Gemäldegalerie des
Vereins für die öffentliche Kunstsammlung und der Provinz: auch hier schlie-
fen gute Bilder in verschlossenen Räumen. Endlich war die wertvolle moderne
Gemäldesammlung der Stadt wegen Platzmangels magaziniert.
Nach langen Verhandlungen mit den verschiedenen Instanzen ist es ge-
lungen, eine Neuaufstellung dieser zerstreuten und verborgenen Kunstbe-
stände aus fünferlei Besitz im Obergeschoß des großen Hauses am Masch-
park durchzuführen. Die Trennung nach verschiedenen Besitzverhältnissen
wurde aufgehoben, aus allen Sammlungen das Beste herausgezogen und der
so gewonnene Bestand in entwicklungsgeschichtlicher Folge geordnet.
Die Neueinrichtung dieses Kunstmuseums ist jetzt in ihren mittelalterlichen
Teilen bis zirka 1540 und ihrem modernen Teil seit zirka 1800 fertiggestellt.
Wie viel Material nach Aussonderung alles Geringwertigen zusammengekom-
men ist, geht daraus hervor, daß es nach beendeter Neuordnung 17 große und
2g kleinere Säle füllen wird.
Die so zusammengewachsene Folge von Werken bildender Kunst wies in
ihrer entwicklungsgeschichtlichen Geschlossenheit drei Lücken auf: es fehlten
fast ganz das frühe 19. Jahrhundert, der französische Impressionismus und die
neueste Kunst des 20. Jahrhunderts mit Ausnahme von Hodler und Paula
Modersohn.
Auf diese Gebiete mußte also die Sammeltätigkeit des Museums sich zu-
nächst konzentrieren, und so stammen
die Neuerwerbungen
der letzten Jahre fast ausschließlich aus diesen Kunstperioden:
Eine heroische Landschaft von Joh. Christ. Reinhart (Abb.) ist in Kom-
position, wie in Farben — vorherrschend blaßblaue Töne, neben silbrigem
Graugrün und etwas Braun — von einer kühlen Reserviertheit, wie sie Jos.
Anton Koch nicht kennt. Dabei umreißt Koch in seinen reifen Bildern die
Formen klarer und schärfer. Von derselben kühlen Zurückhaltung ist das
Porträt eines Grafen Metternich von I. B. Isabey aus den dreißiger Jahren.
Überraschend durch Eigenart und hohe Qualität ist eine klassische Land-
schaft von Carl Schäffer, von dem man nur weiß, daß er 1812 in Rom war.
Es lohnte sich, diesem Künstler näher nachzugehen.
War der Klassizismus immerhin schon vorher sehr gut durch Koch und
Rottmann vertreten, so mußte ein Bestand an deutscher Frühromantik
völlig neu geschaffen werden: Kaspar David Friedrichs „Vier Tages-
zeiten“ sind von der Jahrhundertausstellung her bekannt (Katalog der Jahrh.-
Ausst. II, Seite 172/73). Ein 1831 gemaltes italienisches Hafenbild von Carus

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