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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 24
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#1223

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— Die Berliner Akademie der Künste hat
Wilhelm v. Bode, d.er der Akademie seit
34 Jahren als Senator angehört, aus Anlaß
seines 80. Geburtstages zu ihrem Ehrenmit-
glied gewählt. Das Preußische Kultusmini-
sterium hat eine besondere Ehrung für
den verdienten Gelehrten beschlossen,
indem es die Büste des Achtzigjährigen
im Kaiser-Friedrich-Museum aufstellen
ließ. — Dr. Karl With, der be-
kannte Forscher auf dem Gebiet der ost-
asiatischen Kunst, ist kürzlich als Fach-
lehrer für Kunstgeschichte, Stilkunde und
Formkunde an die Kunstgewerbeschule
nach Köln berufen worden, die man zu die-
ser vielseitigen Lehrkraft beglückwünschen
darf. — Richard Riemerschmid, der
bekannte Münchner Architekt, hat einen
Ruf als Nachfolger von Professor Elsässer
von der Stadt Köln erhalten, um die Direk-
tion der Kunstgewerbeschule zu überneh-
men. — Henri van de Velde, der seit
dem Kriegsende seinen Aufenthalt in Hol-
land genommen hat und hier im Dienste
der Familie Kröller verschiedene Ge-
schäfts- und Privatbauten teils ausgeführt,
teils entworfen hat, wird endgültig in sein
Heimatland Belgien zurückkehren. Der neue
belgische Kultusminister Carniel Huysmans
hat ihn an die flämische Universität Gent
berufen, um hier Lehrkurse über moderne
Baukunst zu leiten. Außerdem ist er als
Direktor eines neu zu gründenden Instituts
für Kunst und Kunstgewerbe in Brüssel
ausersehen. — Als Nachfolger des in den
Ruhestand übergetretenen Professor A. von
Le Coq wurde Professor Dr. Heinrich
Stönner zum Leiter der indischen Abtei-
lung am staatlichen Museum für Völker-
kunde in Berlin ernannt. Der gleichen Ab-
teilung gehört seit einigen Monaten auch
Dr. Ernst Waldschmidt (den Lesern un-
serer Zeitschrift bekannt durch seine Bei-
träge über Gandhara, Turfan und Kutscha)
als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an.
Neue Bücher
EIN NEUES MONUMENTALWERK
ÜBER DIE KATHEDRALE VON
CHARTRES
Mit vier Abbildungen auf drei Tafeln
An Universalität der kunstgeschichtlichen
Bedeutung überragt die Kathedrale von
Chartres alle anderen Denkmäler der Früh-
gotik. Es gibt keine zweite Kirche dieser
Epoche, in der sich Architektur, Glas-
malerei und Bildhauerkunst gleichermaßen
zu solcher Qualität erheben und sich —
vor allem nach Revolution und Weltkrieg
— in dieser Vollständigkeit erhalten haben.

Der Umfang des plastischen Dekors ins-
besondere ist einzigartig: Drei reichskul-
pierte Portale im Westen, Inkunabeln der
gotischen Bildhauerkunst von nie wieder
erreichter Schönheit (ca. 1145—1160) und je
drei durch prächtige Vorhallen eingeleitete
Portale an den Querschiff-Fronten, an
denen die frühgotische Plastik zu ihrer
letzten Etappe heranreift (ca. 1200—1230).
Nicht minder großartig ist die Fülle und
Qualität der Glasgemälde; trotz einiger zu-
meist im 18. Jahrh. entstandener Lücken,
die aber im Gesamteindruck kaum wahr-
genommen werden, bietet die Kathedrale
von Chartres den größten und vollständig-
sten Zyklus von Glasmalereien des 13. Jahr-
hunderts, der auf uns gekommen ist und in-
folgedessen (neben dem Straßburger Mün-
ster) das beste Bild eines gotischen Kir-
chenraums überhaupt. Es kommt hinzu,
daß die Kathedrale durch die französische
Revolution weniger gelitten hat als die mei-
sten ihrer Schwestern, und daß die notwen-
digen Wiederherstellungsarbeiten des letz-
ten Jahrhunderts immer in den Händen
taktvoller und zurückhaltender Architekten
lagen. All dies trägt dazu bei, daß die Kathe-
drale von Chartres heute den stärksten und
reinsten Eindruck von der frühgotischen
Kunst aller Gattungen gibt.
Es ist klar, daß eine Kirche von dieser
Bedeutung schon lange und bis zur Stunde
im Brennpunkt der wissenschaftlichen For-
schung steht. Neben einer schon kaum
mehr übersehbaren Fülle von größeren und
kleineren Aufsätzen, an denen Archäologen
vom Rang eines Comte de Lasteyrie und
Eug. Lefevre-Pontalis beteiligt sind, er-
schienen auch zwei stattliche Monogra-
phien, eine ältere (Atlas mit 72 Tafeln) von
Lassus, die, bereits 1842 begonnen, erst 1881
durch den Text von Paul Durand zum Ab-
schluß gebracht wurde, und das dreibän-
dige Werk des Abbe Bulteau (2. Auflage
1887—1901), beide heute noch unentbehrlich.
Der Mangel beider Publikationen und na-
mentlich der letzteren besteht darin, daß
die Illustration ganz unvollkommen ist; sie
beschränkt sich auf die Wiedergabe von
Zeichnungen, die wohl für ikonographische,
aber nicht für stilkritische Untersuchungen
ausreichen. Auch der bedeutendste — und
wahrhaft bedeutende — Beitrag, den die
deutsche Forschung zur Kunstgeschichte
der Kathedrale von Chartres geleistet hat,
Wilhelm Vöge’s Buch über die Anfänge
des monumentalen Stils im Mittelalter
(Straßburg 1894), in dessen Mittelpunkt die
Skulpturen der Chartreser Westportale ste-
hen, leidet unter dem Mangel reichlicher
und guter Abbildungen. Die Heliogravüren,

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