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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Pauli, Gustav: Fritz v. Uhde in unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0025

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Denn Uhde war nicht erfinderisch und plagte sich zum Unterschied von
Liebermanns überlegener Sicherheit schwer mit dem Aufbau seiner Komposi-
tionen — woraus sich auch seine häufigen Wiederholungen erklären. Größere
Figurenbilder (die Trommelübung!) drohen ihm leicht in Einzelheiten zu
zerbröckeln. Wenn er sich aber behaglich gehen läßt, die junge Gattin malt,
die er früh verlor, seinen Kindern zuschaut, wie sie sich in der Stube mit
ihren Puppen tummeln, ein Bilderbuch besehen und herangewachsen als
schlanke junge Damen im sommerlichen Garten sich ergehen, wenn er uns
schildert, wie Knecht und Magd sich in der Frühe auf dem Felde begegnen —
dann ist er der Unsere, ein ganzer Maler. Er ist, wieder zum Unterschied
von Liebermann, vielmehr Maler als Zeichner. Einer, der über Licht und
Farben mit Leichtigkeit gebietet. Gern läßt er die Sonnenstrahlen durch goldig-
grünes Laub flimmern. Sein Bild „Am Morgen“ in der Hamburger Kunsthalle
ist eine meisterliche Landschaft. Der Wiesenplan schimmert taufrisch und
über ihm weitet sich durchsichtig die Atmosphäre. Uhde ist in solchen
Bildern heller, von zarterer Farbigkeit, sein Pinselstrich ist geistreicher und
lockerer als in seinen berühmten Hauptwerken. Aber wo sind seine anderen
Landschaften? Er ist einer unserer besten Interieurmaler — aber nur in
seinen Gelegenheitsarbeiten. Warum hat er sich nie auf das Stilleben ein-
gelassen? Und warum hat er keine Bildnisse gemalt? Man sollte doch
meinen, daß er zum Bildnismaler geboren wäre, wenn man einzelne Köpfe
auf seinen religiösen Bildern prüft oder an seine ausgezeichneten bildnis-
mäßigen Studien denkt. Sein Wohlmut als Richard III. ist ein meisterhaftes
Porträt. Aber Uhde wollte es nicht als solches gelten lassen, sondern als Hi-
storienbild. Was hielt ihn davon ab, einen so hoffnungsvoll betretenen Weg
weiter zu verfolgen? An Aufträgen hätte es dem Berühmten doch nicht
fehlen können. Aber vielleicht scheute er es, sich mit den Ansprüchen der
Auftraggeber auseinanderzusetzen und ihren Charakter soweit zu ergründen,
daß er ihn mit Sicherheit gestalten mochte. Jedenfalls sind die beiden
einzigen Porträte, die er im Auftrag gemalt hat, die des Ehepaars Hertz in
der Hamburger Kunsthalle und des Sängers Nachbaur im Münchner Hof-
theater, eigentümlich befangen.
Auch hier gilt es wohl, daß das Schicksal des Menschen nicht auf äußeren
Umständen beruht. Nicht in den Sternen ist es vorgezeichnet, sondern in
seinem eigenen Charakter. Der Fall Uhdes bietet Analogien zum Falle Men-
zels. Sein hoher Rang ist nicht bestreitbar, aber die populäre Begründung
dafür ist es um so mehr. Nicht die anspruchsvollen vielgenannten Bilder,
die das Publikum und er mit ihm für seine Hauptwerke hielt, sind die besten
Stützen seines Ruhmes, sondern die bescheideneren Dinge, die er weniger für
die Welt als für sich selber geschaffen hat.

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