Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Freund, Frank E. Washburn: Die Detroiter Alte Meiser-Ausstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0268

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Detroiter Alte Meister-Ausstellung
Mit sechs Abbildungen auf drei Tafeln Von FRANK E. WASHBURN FREUND

IN den Räumen seines alten Museums, das bald einem schönen, schlichten
Neubau weichen wird, hatte Dr. W. R. Valentiner während des Januar
seine zweite große Altemeisterausstellung veranstaltet, die, wie die vorjährige,
den Reichtum und die Qualität privater Sammlungen in Amerika dartun und
dadurch zu weiterem Sammeln auf dem rechten Wege anregen sollte.
Diesmal war als Thema „Die englische Schule des 18. Jahrhun-
derts“ gewählt, von der ja viele amerikanische Sammler hervorragende Bei-
spiele besitzen. Deswegen waren auch Detroiter Sammlungen zahlreicher als
das letztemal vertreten, als die Holländer des 17. Jahrhunderts vorgeführt wur-
den. (Siehe Cicerone, XVII. Jahrgang, Heft g.)
Valentiner aber verband mit seiner Ausstellung noch eine andere Absicht
und hat dieselbe durch die Auswahl der Gemälde vorbildlich durchgeführt: er
wollte zeigen, wie die englische Malerschule der zweiten Hälfte des 18. und des
ersten Drittels des ig. Jahrhunderts von den geistig-politisch-sozialen Strömun-
gen der Zeit abhängig war und auf diese Weise eine Parallele bildet zu den
gleichzeitigen Schulen in den anderen Ländern, wie ausgeprägt auch gerade
ihre nationale Note ist; ferner wie aus dem mehr individuellen Rokoko eines
Gainsborough der mehr typisierende Klassizismus eines Romney ersteht. Ähn-
lich dem Wechsel der Dekorationsstile des Chippendale und der Adams. Und
weiter wollte er zeigen, wie aus diesem wieder der die Form zerstörende, aus
innerer Unruhe geborene Romantizismus eines Lawrence, ja der Nihilismus
eines Turner entstehen, dessen „Sintflut“ als Symbol eines abgelaufenen Zeit-
alters die Ausstellung abschloß. Nach Turner blieb nur ein kleiner, sich selbst
genügender Bourgeoisgeist am Werke, dessen höchste Pflicht, auch in der
Kunst, die Ruhe war, und der sich am kleinlichen Genre erfreute, bis neue
Geister erwachten und von neuem revoltierten, im ewigen Ablauf mensch-
lichen Geschehens.
So ergeben sich eigentümliche Parallelen und Beziehungen zu unserer
eigenen Zeit, denen man vor diesen Bildern nachhängen kann, und die nun
nicht bloß ein eingehenderes Verständnis für die heutige Zeit und ihre Ver-
änderungen, sondern auch für jene vergangenen Epochen und ihre „mensch-
lichen Dokumente“ wecken müssen.
Sieht man von diesen historischen Zusammenhängen ab, so bot die Aus-
stellung ein vollkommenes Bild der zwei großen Trias’ der britischen Schule:
der älteren, die Reynolds, Gainsborough und Romney, und der jüngeren, die
Hoppner, Lawrence und Raeburn umfaßt. Und zu ihnen gesellten sich dann
noch in ein paar charakteristischen Beispielen die zwei „Säulen“ der eng-,
lischen Landschaft: Constable und Turner, die aber wie zwei Pole ausein-
anderliegen, wiewohl sich ihr Entstehen doch auf die gleiche Unruhe und das
Suchen nach Neuem zurückführen läßt. Nur antwortete eben jeder der zwei
seiner Art gemäß; Constable, indem er das Heil in einer Eroberung der Natur,
wie sein Auge und alle seine Sinne sie ihm aufwiesen, suchte; Turner, indem
er Äußeres, erst Gelerntes und mit reichem Gedächtnis Gesammeltes mehr und
mehr zu inneren Visionen umgestaltete und endlich gar den Ikarusflug der
Sonne entgegen unternahm, bis er und alles mit ihm, zu Boden stürzten.
Von Reynolds, dem ewigen Experimentier er, sieht man u. a. ein sehr spätes
Mädchenporträt, Theresa Parker (aus dem Besitz der Duveen Bros.), ganz auf-

25s
 
Annotationen