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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 17
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0606

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SAMMLER UND MARKT

DER STREIT UM BÖCKLIN
Im Augustheft der „Zeitschrift für bil-
dende Kunst“ erhärten Justi und Wend-
land noch einmal ihre Überzeugung von der
Urheberschaft Böcklins an jenen 31 Land-
schaften, die 1851 gemalt, vor Jahr und Tag
von Dr. Wendland in Amerika wieder ent-
deckt wurden. Gleichzeitig kündigt das von
Wilhelm Waetzoldt ausgezeichnet geleitete
„Repertorium für Kunstwissenschaft“ ein
eigenes Sonderheft zum Fall Böcklin an,
das inzwischen bereits vorliegen dürfte und
in dem die Vertreter der sich gegenüber-
stehenden Überzeugungen H. A. Schmid-
Basel einerseits, Waldmann, Thormaelen
andererseits, erneut und in extenso zu den
Böcklinschen Landschaften Stellung neh-
men.
Der Streit um diese Dinge ist durchaus
nicht unerquicklich, sondern in mehr als
einer Beziehung lehrreich. Er würde viel-
leicht bald sogar zur allgemeinen Zufrie-
denheit enden, wenn er nicht von vornher-
ein von jener starren Voraussetzung ausge-
gangen wäre, daß nämlich sämtliche 31
Landschaftsbilder Arbeiten von der Hand
Böcklins sein müßten, obwohl doch die
Zahl der damals von jenem Amerikaner er-
worbenen Arbeiten des jungen Schweizet
Malers keineswegs feststeht und es immer-
hin wahrscheinlich sein könnte, daß dieser
Kunstfreund von jenseits des großen Was-
sers sich auch noch andere „Souvenirs“ in
Rom zusammengekauft hat, zumal es da-
mals bekanntlich weder Fotos noch An-
sichtskarten gab, wogegen die Skizzen der
jungen Akademiker und Stipendiaten usw.
in Rom gerade in jenen Jahren beliebte und
leicht verkäufliche Artikel in den kleinen,
von den Fremden oft frequentierten Kunst-
basaren gewesen sind. Rein theoretisch ist
es demnach sehr wohl möglich, daß sich
außer dem von Wendland in so glücklicher
Weise getätigten Fund noch sehr viel zahl-
reichere Skizzen deutscher und'französischer
Künstler in Amerika befinden, wenn auch
von vornherein daran erinnert werden darf,
daß in den 50 er und den 60 Jahren noch kein
amerikanischer Fremdenstrom nach Italien
eingesetzt hatte, wie wir ihn im „Zeitalter
des Verkehrs“ erleben.
Immerhin, wie nehmen die Überlieferung
der Böcklinschen Erzählung von seinem
amerikanischen Mäzen als historisch fest-
begründete Tatsache an, wir lehnen auch
nach Kenntnis dieser 31 Bilder unzweideu-
tig das Wort vom „Kunsthändlerkitsch“ ab,
das angesichts der gar nicht zu bezweifeln-
den künstlerischen Schönheit eines großen

Teiles dieser 31 Landschaftsskizzen wider-
sinnig ist, aber wir gestatten uns ebenso
nachdrücklich einem gewissen Zweifel
Raum zu geben, daß tatsächlich alle 31 Bil-
der der Wendlandschen Mappe Originale
von Böcklins Hand sein sollen. Der weitaus
größere Teil dieser Arbeiten deckt nach un-
serer Überzeugung — ähnlich wie es H. A.
Schmid ursprünglich angenommen, der 22
Nummern dem jungen Böcklin zuweisen
wollte, ganz zweifelsfrei die Urheberschaft
des jungen Schweizer Künstlers, aber eben-
so fest sind wir davon überzeugt, daß etwa
—• rund gesprochen -— ein Drittel dieser
Landschaften nicht von Böcklin sein kann
und daß sich dieses Drittel auf andere
Hände verteilt (vielleicht nur zwei oder drei).
Unter diesen springt zumal bei einem der
schönsten der vier von der Nationalgalerie
erworbenen Bilder die Urheberschaft Os-
wald Achenbachs dem Betrachter überzeu-
gend ins Auge. Auch bei einem zweiten
Bilde dieser Reihe dürfte Achenbachs Au-
torschaft kaum zu bezweifeln sein, womit
zugleich angedeutet sein mag, daß es viel-
leicht nicht einmal richtig ist, diese 31 Skiz-
zen sämtlich in Bausch und Bogen auf das
Entstehungsjahr von 1851 festzulegen, das
eben nur für die Böcklin-Originale zuträfe.
Diese Beobachtungen haben wir jüngsthin
in mehreren Sitzungen mit Justis Assistenten
Dr. Rave und dann auch im Gegenüber mit
dem in seiner überzeugenden Kennerschaft
immer höchst liebenswerten Justi selbst an-
gesichts von sechs Bildern gemacht (auch
Dr. Wendland war zufällig anwesend) und
dann die Fotos dieser Bilder Herrn Prof.
Oelenheinz in Koburg übersandt, der ein-
mal 1920 an dieser Stelle über das siderische
Pendel geschrieben hat.
Wer wie der Schreiber dieser Zeilen vor
vielen Jahren schon die überraschenden Ex-
perimente mit Hilfe des siderischen Pendels
zur Bildbestimmung erlebt hat, wird sich
bestimmt nicht hochmütig über dies abso-
lut unzweideutige Mittel der Identifizierung
von Originalen hinwegsetzen. (Es liegt hier
einer jener seltsamen Fälle vor ähnlich
dem, der dem überlegenen Geist der Wis-
senschaft vor 20 Jahren noch ein hochmüti-
ges Lächeln auf die Lippen gebracht hätte,
würde man damals etwa das Radio von
heute erklärt oder prophezeit haben.) Wir
sind sogar mutig genug, selbst den Spott
der Zweifler zu ertragen, wenn wir offen be-
kennen, daß wir an das siderische Pendel
glauben, genau wie im übertragenen Sinne
an die Wünschelrute. (Friedländers Kenner-
schaft wird trotzdem niemals brotlos wer-

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