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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 9
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Adam, Leonhard: Eine chinesische Tierplastik der Sungzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0296

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EINE CHINESISCHE TIERPLASTIK DER SUNGZEIT
VON LEONHARD ADAM
Tierplastiken bilden einen großen Teil der T’ang-Arbeiten in Ton, mit denen
in jüngster Zeit der europäische und der amerikanische Chinakunstmarkt bei-
nahe schon überschwemmt wird. Sicherlich sind nicht wenige Fälschungen
darunter, aber man muß bedenken, daß das Interesse für diese älteren kerami-
schen Stücke noch jung ist und daß daher das Vorhandene nicht in dem Maße
erschöpft sein kann wie etwa das Porzellan späterer Epochen. Unter den T’ang-
Figuren spielen die Tierplastiken bekanntlich eine große Rolle. Besonders
ragen die Pferdedarstellungen hervor. Es ist ein schwerer Schlag, teils im
Trabe, teils stehend dargestellt, stets etwas heroisch anmutend. Die Kamel-
statuen sind dagegen zuweilen eher humoristisch. Seltener nun sind unter
diesen Grabbeigaben der T’ang-Zeit Darstellungen von Hunden, und hier tritt
an Stelle des Gravitätischen als Ausdruck einer scharfen Naturbeobachtung; eine
gewisse Innigkeit. Indessen liegen die Anfänge der Hundedarstellung noch
früher, wie vereinzelte Arbeiten der Wei-Zeit erweisen. Unser Bild zeigt die
Gestalt eines liegenden Hundes aus Marmor in dem schönen graugelblichen
Ton naturgewachsener Marmorpatina. Die Länge beträgt 481/2cm, die Breite
51 cm, Höhe 32 cm. Der Kopf ist aufmerksam nach der Seite gerichtet, die
Hinterläufe sind angezogen, und das Tier erweckt so den lebendigen Eindruck,
als wolle es aufspringen, sobald im nächsten Moment der Gegenstand seiner
Aufmerksamkeit dies erfordern würde. Es dürfte ein Jagdhund sein, einige
Ähnlichkeit mit dem persischen Windhund scheint vorzuliegen, doch hierüber
mögen Kynologen entscheiden. Die Haare sind sorgfältig einzeln herausge-
arbeitet. Auf beiden Schultern befindet sich ein Flammenornament, das an sich
nicht zu der Realistik der ganzen Figur zu passen scheint. Dennoch darf man
wohl nicht an dem Profancharakter des Werkes zweifeln und sollte nicht etwa
an den Himmelshund (Tien Kou) denken, mit dem dieses Stück ganz und gar
nichts zu tun hat. Aber das Ornament ist mitbestimmend für die Datierung.
Man geht wohl nicht fehl, wenn man es der Sung-Zeit zuschreibt und damit
dem 11. bis 13. nachchristlichen Jahrhundert. Auf der Exposition d’Art Oriental
im Mai 1925 zu Paris befand sich ein ähnliches Stück (Nr. 618, Katalog der
Collection M. L. Michon), das nach der anderen Seite gerichtet war und bei-
nahe als Pendant des hier gezeigten angesproch’en werden könnte, wenn nicht
doch gewisse Verschiedenheiten obwalteten. Auch das Pariser Stück ist der
Sung-Zeit zugewiesen. Dr. Trübner entdeckte an unserer Skulptur schwer sicht-
bare Farbspuren. Man sieht am Halsbande schwache Reste von Grün, und bei
aufmerksamer Betrachtung findet man in den Ritzen und an geschützten Stellen
Gipsspuren, so daß man mit einer früheren Bemalung auf Grundierung zu
rechnen hat. Dann aber stand das Stück ursprünglich sicher nicht im Freien,
jedenfalls aber an gedecktem Platze. Lange Zeit hindurch aber muß es frei
gestanden haben; denn anders wäre die Gesteinsverwitterung unerklärlich. Glatt
und weiß ist der Kopf, wie poliert durch häufiges Streicheln Vorübergehender:
In der Tat ladet diese lebendige Tierfigur förmlich dazu ein, die so lebenswahr
ist, daß man unter dem Fell sogar die kleinen Buckel der Wirbelfortsätze sich
erheben sieht. Das Werk — noch im Besitz von Edgar Worch, Berlin — gehört
heute noch eher in einen Garten oder an ein Portal als in einen Sammlungsraum.
 
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