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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 9
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Biermann, Georg: Rubens' Bildnis des Lizentiaten Hendrik van Thulden
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0298

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RUBENS’ BILDNIS DES LIZENTIATEN HENDRIK
VAN THULDEN von georg biermann
Rubens hat es schwer, gegenüber den sogenannten »Modegrößen« auf dem
Kunstmarkt zur Geltung zu kommen und doch ist gerade er einer der Im-
posantesten, die jemals aus ihrer Zeit heraus die letzte, unzweideutige Wahr-
heit gesucht und gestaltet haben.
Der »Fall« Rubens ist — wie die wenigen anerkannten Forscher auf diesem
Spezialgebiet genau wissen — (nach den verstorbenen Rooses und Oldenbourg
sind es heute in erster Linie W. von Bode, G. Glück und Ludwig Burchard)
einer der verworrensten, die es zur Zeit überhaupt gibt. Neben den originalen
Werken steht eine Legion von Arbeiten aus der Werkstatt und Schule, die zum
Teil noch auf Entwürfe des Meisters zurückgehen, zum anderen Teil sogar die
persönliche Korrektur erkennen lassen, ohne deshalb den Anspruch auf Eigen-
händigkeit erheben zu können. Innerhalb dieser Fülle aber die letzte Sichtung
vorzunehmen, wird trotz zahlreicher Vorarbeiten zumal von Oldenbourg, die bei
seinem Tode schon sehr weit vorangeschritten waren (wir verdanken Oldenbourg
u. a. die letzte Auf läge des Rubens-Bandes in den »Klassikern der Kunst«), das
Endziel jener großen Rubens-Ausgabe sein, die Burchard und Glück gemein-
sam vorbereiten und die innerhalb der nächsten Jahre als würdiges Gegenstück
zu dem monumentalen »El Greco« von A. L. Mayer ebenfalls bei F. Hanf-
staengl in München erscheinen wird.
Die Erschließung und Bereinigung des Rubens-Oeuvres ist ebenso interessant
wie schwierig, zumal beinahe täglich neue, zum Teil halb oder ganz vergessene
Werke ans Licht des Tages treten. Diese Tatsache findet zum geringen Teil
ihre Erklärung in der Abwanderung alten belgischen Besitzes, den erst die In-
flation jüngsten Datums verursacht hat, viel wichtiger dagegen ist das gerade
in der allerletzten Zeit mächtig gesteigerte Interesse des Marktes für Rubens
schlechthin, das die Entdeckerfreude aller beteiligten Kreise in Europa anregt
und auch weiterhin in Spannung hält.
So erleben wir also gerade jetzt einen jener Umwertungsprozesse der Kunst-
geschichte, der sich immer wieder durchsetzt, sobald die Gegenwart erst ein-
mal besondere Beziehungen zu rückwärtsliegenden Epochen oder einzelnen
Exponenten derselben festgestellt hat. So ist es bestimmt kein Zufall oder unter
dem Gesichtspunkt der größeren Seltenheit zu erklären, daß vor etwa 20 Jahren
das starke Interesse für die frühen Niederländer, die bis dahin allgemeine Vor-
liebe für die holländischen Impressionisten des ] 7. Jahrhunderts abgelöst hat.
So leitete der Fall »Greco« zu Beginn unseres Säkulums -— man möchte sagen —
symbolhaft die neue Welle des Barock ein. So sind alle Tendenzen, die der Be-
wertung älterer Kulturepochen gelten, immer zunächst in uns selbst lebendig,
sofern wir den Odem unserer Zeit überhaupt verspüren und so erklärt sich vor
allem auch die besondere Vorliebe der heutigen Sammler in erster Linie für
den Porträtmaler Rubens. Denn diese Zeit, die den Weltkrieg erlebte und
den Bruch einer jahrhundertealten Tradition, sucht in erster Linie die Wahr-
heit auch im Künstlerischen. Daß diese etwas ganz anderes ist als der sogenannte
»Nur-Realismus«, braucht an dieser Stelle kaum gesagt zu werden. Es geht
nicht um die äußere Erscheinung, sondern allein um die innere Wahrheit und
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