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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 10
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Giedion, Sigfried: Zur Situation der französischen Architektur, 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0332

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ZUR SITUATION DER FRANZÖSISCHEN
ARCHITEKTUR III VON SIGFRIED GIEDION

Wie steht es um die jungen Architekten
in Frankreich, wen gibt es außer Aug.
Perret, Tony Garnier, Le Corbusier?
Zuerst die Zwischengeneration, die —
im Alter zwischen Perret und Corbusier
stehend — nicht zur vollen Entwicklung
kam. Zwei Namen: Rob.Mallet-Stevens,
Henry Sauvage. Von beiden ist zuerst
zu sagen: Auch sie haben die Tradition
des Eisenbeton im Blut. Aber sie ge-
langen nicht zu konsequenten Formu-
lierungen.
Rob. Mallet-Stevens ist der Elegant
der Bewegung. Er bewegt sich in der
reichen Schicht. Seine Jugendeindrücke
scheinen um das Stoclet-Haus in Brüssel
(von Jos. Hofmann 190g) zu kreisen,
das übrigens die beste Verwirklichung
der Wiener Werkstättebewegung dar-
stellt. Mallet-Stevens steht in verwandt-
schaftlichen Beziehungen zu jenem
Haus. In seinem Jugendwerk »Une
eite moderne (Paris, chez Massin, o. J.
— um 1914 — Vorrede von Frantz
Jourdain) kehren jenes Haus und die Wiener Werkstätten - Träume immer
wieder. Keine Gesamtvision wie bei Tony Garnier in seiner »Cite industrielle«
schon um ^ 900. Einzelheiten.
Trotzdem lebt in ihm die französische Tradition des Eisenbeton. Der Saal
seines Verkehrspavillons auf der Pariser Ausstellung von 1925 (Abb. 1) schwebt
wirklich nur auf zwei Stützen und in der fünfstöckigen Garage Alfa Romea
(192g) sind alle die Stockwerke an zwei parabolischen Trägern in der Höhe so
aufgehängt, daß im ganzen Bau keine verkehrshindernde Stützen angebracht
werden müssen. Fassade und Laden zeigen den Einfluß Hollands und Wiens
in kunstgewerblicher Vermischung (vgl. dagegen J. J. P. Ouds Cafe Unie
Rotterdam.) In Auteuil baut der Architekt für reiche Leute eine ganze Sack-
gasse, die nach ihm benannt wird. (Aufnahmen untersagt der Architekt, da er
ein Buch darüber veröffentlichen will.) Das interessanteste an diesen vier-
stöckigen Einfamilienhäusern (Eisenbeton) mit einem Halbdutzend Badezimmern
ist die Diktatur, mit der unsere Zeit, will man ihr auch nur von fern Gehör
geben, jede Repräsentation erschlägt. Noch ist — im größten Haus — jene
Vielzahl von Räumen vorhanden, die einem reichen Haushalt früher unerläß-
lich erschienen. Aber der kapitalistische Hochklang zerrinnt trotzdem zwischen
den Fingern. Das Erdgeschoß ist entwertet. Wo früher jene vielgestuften Raum-
folgen sich entwickelten, wohnt der Chauffeur, sitzen Garage und Wirtschafts-


Abb. 1. Rob.Mallet-Stevens. Paris. 1925
Bureau du tourisme. Kunstgewerbeausstellung
Der ganze Längsbau auf zwei Eisenbetonpaaren
schwebend aufgehängt

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