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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 10
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0344

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VOM PRADO

RUNDSCHAU

Unter verschiedenen namhaften Schenkungen,
die dem Madrider Prado in letzter Zeit zu-
gegangen sind, ist ohne Zweifel eine der wert-
vollsten die unlängst erfolgte des bekannten
Kunstkenners und Kunstsammlers Don Luis
de Errazu, dessen Bruder bereits dem Museum
ein kostbares Vermächtnis an Bildern hinter-
lassen hat. Es handelt sich um fünf Gemälde:
das Bildnis eines italienischen Geistlichen, den
manche für Innozenz X. halten, von einem
unbekannten Meister; ein knieender Heiliger
von Tiepolo, die untere Hälfte eines Gemäl-
des, zu dem der Prado schon den oberen Teil
besitzt; zwei weibliche Porträts, das eine von
Angelica Kaufmann, das andere von John
Hoppner; alles ausgezeichnete Bilder, aber
nicht in einem Atem zu nennen mit dem
fünften: einem Greco, wie das Prado-Museum
einen ähnlichen vorläufig noch nicht besitzt
und der ohne Zweifel zu den hervorragendsten
Arbeiten des Meisters gehört. Das Gemälde
stammt etwa aus der gleichen Periode wie das
Begräbnis des Grafen Orgaz in Toledo und er-
innert im Stil entschieden an jenes wunder-
bare Werk. Das jetzt im Prado neu aufge-
stellte Bild wirkt vor allen Dingen durch seine
unvergleichliche Einfachheit. Neben dem
knieenden, fast vollständig in seinen wallen-
den weißen Mantel gehüllten Santiago-Rit-
ter Julian ltomero steht sein Schutzpatron,
der Heilige Ludwig von Frankreich. Der Zu-
sammenklang des fabelhaft gemalten weißen
Mantels, auf dem nur die obere Ecke des roten
Kreuzes sichtbar ist, mit der dunklen Rüstung
des heiligen Königs, über dessen Schultern ein
Mantel in stumpfem Blau mit eingestickten
Lilien hängt, ist von einer unbeschreiblichen
Feinheit der farbigen Abstimmung. Die aus-
drucksvollen Hände der beiden Dargestelllcn
werden kaum durch die auf einem der besten
Bildnisse des Greco übertroffen. AD
BERLINER AUSSTELLUNGEN
Die große Berliner Kunstausstel-
lung ist dies Jahr die Doppelveranstaltung
der Juryfreien und des sogenannten ,,K a r-
teils“, d. h. einer Vereinigung von Allge-
meiner Deutscher Kunstgenossenschaft, Archi-
tektenvereinigung „Der Ring“, Berliner Se-
zession, der „Abstrakten“, der Freien Vereini-
gung der Graphiker, der Vereinigung Berliner
Bildhauer, der Novembergruppe, des Vereins
Berliner Künstler, des Vereins Berliner Künst-

lerinnen und des Frauenbundes, also das Pro-
dukt einer dankenswerten, wenn auch höchst
mühevollen Bestrebung, die divergierenden
Gruppen und Griippchen zusammenbringen,
und so das Gebäude am Lehrter Bahnhof aus-
zunutzen. Der Zwang zur Sichtung hat gün-
stig gewirkt. Das Kartell hat eine ganze Reihe
zeigenswerter Bilder an die Öffentlichkeit ge-
bracht, so einen sehr nobel gemalten Garten
auf dem Montmartre in Grau und Gelb von
Maria Slavona, die schöne Porzellanmadonna
von Richard I,anger, Düsseldorf, ein vorzüg-
liches weibliches Bildnis von Mense, einen in
Ton gebrannten Widder von Schwerdtfeger
und „Kartenspieler“ von Hermann Lehmann.
Die Sonderausstellung für Architektur, ver-
anstaltet von dem „Ring“, beschäftigt sich
mit den Projekten des Durchbruchs durch die
Ministergärten und mit einem Regierungsfo-
rum am Platz der Republik, wo ein ganzer
Stadtraum für die politischen Behörden vor-
geschlagen wird. Hier sind Entwürfe von Pe-
ter Behrens, Poelzig und Häring ausgestellt.
Der „Clou“ der ganzen Ausstellung jedoch ist
eine Sonderveranstaltung im Rahmen der
Juryfreien: „Religiöse Kunst“. Man hat
sich diesmal nicht damit begnügt, Bilder, Pla-
stiken oder kunstgewerbliches Gerät vorzu-
führen, sondern man hat in vielfach sehr
glücklicher Zusammenarbeit von Architekt,
Maler und Bildhauer ganze Kulträume gebaut.
Zweifellos handelt es sich um eine brennende
Frage. Wie sehr sich auch die Kulturen in
zwei Jahrtausenden gewandelt haben und wie
weit besonders das Heute vom Mittelalter
verschieden ist, so ist doch die Religion als
ein beachtlicher Faktor des Lebens geblie-
ben. Große Religionsgemeinschaften bestehen
fort, ja, einzelne mit achtungsgebietender
Kraft. Man ist besonders in den Weltstädten
der üblichen Stilimitationen müde. Die ro-
manische Gedächtniskirche neben der fortge-
schrittenen Architektur Poelzigs in Berlin
wirkt peinlich. Mehrfach hat man in neuerer
Zeit auf protestantischer Seite den Versuch
gemacht, moderne Kirchenbauten zu schaf-
fen.
Was nun ist das Fazit, das wir aus dem auf
der Juryfreien Dargebotenen ziehen können?
Bei weitem das Beste ist der Synagogenraum
von Harry Rosen thal. Und warum? Hier
war eine rein architektonische Lösung mög-
lich. Die jüdische Religionsanschauung
schließt bildliche Darstellung aus. Da Rosen-
thal darauf verzichtet hat, in der alten Weise

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