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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 11
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Eberlein, Kurt Karl: Caspar David Friedrich: Nebelmorgen im Riesengebirge
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0369

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CASPAR DAVID FRIEDRICH: NEBELMORGEN IM
RIESENGEBIRGE von kurt karl eberlein
Ein neuentdecktes Meisterwerk des bekannten Künstlers verdient es, hier ein-
gehender besprochen zu werden. Das Erlebnis eines nebligen Morgens im Ge-
birge ist aus strömender Erinnerung beschworen. Von höherem Standpunkt
blickt man auf einen mit Tannen bestandenen Berghang, der in großem Dia-
gonalzug nach links hinaufzieht. Hinter ihm steigen aus nebligen Tälern die
Bergkuppen, Welle an Welle, in die Tiefe hinein und zum Himmel hinauf.
Des Bildes Flächenbau gliedert sich in zwei große Komplexe des Mittel- und
Hintergrundes, die zugleich den Raumbau bestimmen. Das Repoussoir des
Mittelgrundes, die Lineatur der ferneren Bergkuppen, die durch den Nebel be-
stärkte Silhouettierung bewirkt die Formengebung der Farbe. Auch hilft dazu
der Farbbau des Bildes. Der Braunkomplex des Mittelgrundes, der Graukomplex
des Hintergrundes heben sich in klarer Scheidung voneinander, und der Reich-
tum der Koloraturen ordnet sich dieser großen Gliederung unter. Hellbraune
Nebel umwogen die dämmrigen Formen dunkelbraunen Gesteins und Tann-
waldes, in dem einzelne grünliche Töne schummern. Aus den weißlichen Ne-
beln der Täler heben sich die grauen Bergkuppen in bläulichen und violetten
Tönen, durch die eine Luft- und Raumperspektive geschaffen wird. Die Ferne
webt in lichtem Blau in den weißlichen milch blauen Himmel. Die Nebelfrühe,
das atmende Erwachen der lagernden Höhenwelt ist wundervoll fühlbar. Man
könnte mit Goethe sagen: »Der Ausdruck ,heilige Frühe* ward empfunden.«
Das Bild ist von unglaublicher technischer Meisterschaft. Es gehört zu Friedrichs
feinsten malerischen Leistungen. Man versteht hier einmal, daß vor seinen
Bildern in der Jahrhundertausstellung von erstem Impressionismus gesprochen
werden konnte, so unsinnig diese These war. Das anachronistische geniale
Wesen seiner Kunst wird hier wieder offenbar. Die Maltechnik ist deutlich zu
erkennen: Auf die wohlbereitete, dünne, glatte Leinwand ist die Zeichnung
mit der Feder aufgezeichnet, dann alles mit feiner brauner Untermalung über-
gangen. Die Federzeichnung ist im Berggestein und vor allem in den Tannen
noch sichtbar, so daß man zuerst glauben kann, das Bild wäre im unteren Teile
nur untermalt und unfertig. Das nebeldämmrige Schweben ist durch die ver-
triebene Braunmalerei meisterlich angedeutet. Bläuliche Lasuren über dem
Braun und weißliche Lasuren über Grau geben den ferneren Bergkuppen Duft
und Raum. Die weißlichen Nebel bespülen die Silhouette des braunen Berg-
landes und loten scheinbar die Täler. Die Malerei des Graukomplexes ist reicher,
fester, kühler, während die des Braunkoinplexes hauchartig, weicher und wär-
mer ist. Alles ist auf reine Malerei gestellt, in Modellierung und Zeichnung
den Tönen überlassen. Ich kenne kein zweites Bild Friedrichs, das in unserem
Sinne so nurgemalt ist. Zum Vergleich dieses Bildes mögen »das Kreuz im
Riesengebirge«, im Berliner Schloß, und die »Nebel im Riesengebirge«, in der
neuen Pinakothek in München, dienen, die viel härter, plastischer, geformter
erscheinen. (Bekenntnisse, Tafel (), 17). Es ist schon wiederholt darauf hinge-
wiesen worden, daß Friedrichs Landschaftskunst zuweilen nur der altchinesischen
Landschaftsmalerei wesenverwandt sei, und gerade unser Bild läßt Erinnerungen
an jene ostasiatische Bildkunst aufleben. Dem großen Kunstwert ist auch der

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