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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 11
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0373

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RUNDSCHAU

DIE NEUERWERBUNGEN DES LOUVRE
Man merkt es an den Neuerwerbungen des
Louvre, daß es nicht mehr so leicht ist wie vor
dem Krieg, erstrangige Kunstwerke besonders
vergangener Epochen zu ersteigern oder frei-
händig zu kaufen. Immer mehr sind diese
Werke festgelegt, teils in Museen, teils in
Privatsammlungen, aus denen sie, wenn es zur
Veräußerung kommt, nach dem mit seinem
Reichtum alles an sich reißenden Amerika
abwandern.
Auch die Geldmittel des Louvre sind (im Ver-
gleich zu früher) erheblich beschränkt; er ist
vor allem auf Stiftungen angewiesen, und
größere Ankäufe können nur mit Unterstüt-
zung von Kunstfreunden getätigt werden.
Aus dem Nachlaß von Christian und Maurice
Robert, deren Eltern nahe Freunde Corots
waren, sind neun Gemälde des Meisters in den
Louvre gekommen. Bildchen sind es dem For-
mat nach; die Porträts sogar sind miniatur-
artig. Wie frei aber führt Corot den Pinsel!
In den drei Kinderporträts steckt etwas Vor-
bildliches: man fühlt, er hatte die Kinderlieb,
aber es gelingt ihm, Gefühl restlos in Form
umzusetzen. In der kleinen Frauenfigur, Muse
genannt, leuchtet vielleicht zum erstenmal das
spezifische Corotsche Blau auf. Ein lesender
Mönch, das Porträt der Madame Charmoy, vor
allem aber die beiden Landschaften „Das
Dorf Rosny“ und „Das Schloß von Rosny“
geben das ganze Ausmaß von Corots farbiger
Sensibilität. In diesen frühen Bildern hält er
sich noch nahe an der Natur, aber alles Gegen-
ständliche, mag es Architektur sein oder eine
Kinderpeitsche, verschwindet unter einem Ge-
webe feinster Töne — und trägt es.
Das ikonographisch wichtige Pastellporträt, das
Jacques Boz e von Mirabeau gemalt hat, gibt
äußerlich getreu das pockennarbige Gesicht,
die breite Nase, das entadelte Kostüm des
Volkstribunen wieder. Von dem Kerl, der eine
Welt umstürzte, ist in dem Porträt nichts zu
spüren. Es bleibt ganz im Dix-huitieme stek-
ken. Die Stiftführung ist La Tour, ist Per-
ronneau entlehnt. Die konnte Rokokodamen
gerecht werden, aber nicht einer vulkanischen
Seele. Das Bild ist 1789 datiert. Deswegen
rührt sich der Widerspruch.
Mit Vergnügen sah ich die kleine auf der Ver-
steigerung Warneck erstandene Adrialand-
schaft von Bonington wieder. Es steht mit
seinem Schimmern in Rosa, Blau, Violett, mit
seinem Gefühl für das durch das Licht be-


Corot Kinderporträt
Stiftung Robert / Neuerwerbung des Louvre

dingte Naturschauspiel gerade zwischen Claude
Lorrain und den Impressionisten.
Nebensächlich sind eine Porträtskizze von
Reynolds, eine Nillandschaft von Fromentin,
eine Waldhöhle von Alfred de Dreux.
Das Doppelporträt, das Eugene Deveria von
sich und seinem Bruder Achille gemalt hat,
ist ein tüchtiges Biedermeierbild. Es ist gut
beobachtet, seine metallisch glänzende „Sach-
lichkeit“ ist nicht unangenehm. Es rehabili-
tiert ihn, denn der große Blender, den der
Louvre allein bisher von Deveria besaß, „die
Geburt Heinrichs IV.“, hat ihm mehr gescha-
det als genützt: er galt als Historienmaler, der
mit diesem ersten Wurf seine ganze Kraft
verpuffte.
Von dem lichtumsponnenen, intim aber ein
wenig unenergisch wirkenden Gruppenbild
Fantin-Latours „Familie Dubourg“ führt
ein direkter- Weg über Degas zu Bonnard und
Vuillard.
Die holländische Schule des 19. Jahrhunderts
war bisher noch nicht zureichend in den fran-
zösischen Sammlungen vertreten. Diesem ge-
rade nicht sehr empfindlichen Mangel hat der
holländische Mäzen Preyer durch Stiftung von
fünf Landschaften abgeholfen. So sind Is-

24 Der Cicerone XIX. Jahrg., Heft 11

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