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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 15
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0514

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SAMMLER UND MARKT

MOSKAU RESTAURIERT
Zum drittenmal seit ihrem Bestehen haben die
1918 von der Sowjetregierung unter der Ägide
von Igor Grabar ins Leben gerufenen soge-
nannten „Staatlichen Centralen Re-
staurations-Werkstätten“ die Früchte
ihrer Tätigkeit zu einer höchst interessanten
öffentlichen Schau vereinigt.
Ihren „clou“ hatte die heurige Ausstellung in
der nach radikaler Restauration zum ersten-
mal öffentlich exponierten „Madonna“ Raf-
faels, die, wie bereits mehrfach in der aus-
ländischen Presse mitgeteilt wurde, 1924 von
Grabar in Nischnyj-Tagil im Ural, dem ehe-
maligen Besitztum der Demidoff-San Donato,
in einem höchst verwahrlosten Zustande auf-
gefunden wurde. Gr. will in der Tafel, welche
in Goldlettern die Signatur „Raphael Urbi-
nas Pingebat MDIX“ trägt, das allerdings
übermalte Original der verschwundenen, viel-
fach kopierten und reproduzierten „Ma-
donna del Popolo“ sehen und bereitet
eine kunstwissenschaftliche Begründung sei-
ner Ansicht vor. Man darf derselben natürlich
mit Interesse entgegensehen, aber unter den
zahlreichen Besuchern der Ausstellung hat
Grabar, wie übrigens auch seitens der russi-
schen Experten, vorderhand wenig Anhänger
gefunden.
Unter den wenigen Werken westeuropäischer
Meister, die letzthin restauriert wurden, lenkt
noch eine zweite Tafel die Aufmerksamkeit
auf sich — ein „Ecce Homo“ großen Um-
fangs, dem Jan Mostaert zugeschriebcn,
welcher seit Beginn des ig. Jahrhunderts als
Heiligenbild eine orthodoxe Moskauer Kirche
zierte. Allerdings wirkte das Bild dort stär-
ker als jetzt nach der Restauration, wo nach
Entfernung des mit der Zeit durch Kerzen-
licht und Weihrauch geschaffenen, künstli-
chen Sfumato' ein unangenehm kreidiger Ton
der Fleischpartien zum Vorschein gekommen
ist. —
ln der Hauptsache jedoch konzentriert sich die
Tätigkeit der „Centralen Werkstätten“ natur-
gemäß auf die Werke altrussischer kirchli-
cher Kunst und die Konservierung von Archi-
tekturdenkmälern. Die wissenschaftlichen Re-
sultate einer Reihe dieser Arbeiten sind in
einem vor kurzem erschienenen Sammelband
1 Wopr o s sy Re sta wra z j i (Moskauig26. Kl.40
186 S. 86 Abb.). Die piece de resistance der Pu-
blikation bildet ein erschöpfender Aufsatz J. Gra-
bars über den großen russischen Maler des
14. Jahrhunderts Andrej Roubloff.

mit zahlreichen Illustrationen, betitelt „Re-
staurationsprobleme“, veröffentlicht1. Auf
der Ausstellung bewundert man wieder einige
dreißig großer und kleinerer Ikonentafeln,
z.T. aus dem 12. und i3. Jahrhundert, die
von zahllosen Übermalungen und späteren
Zutaten befreit, nun in neuer Schönheit er-
strahlen. Eine besondere Gruppe von Expo-
naten verdeutlicht das mühevolle Verfahren,
welchem eine Ikone unterliegt, bis ihre ur-
sprüngliche Gestalt zutage tritt. Moskau be-
sitzt jetzt einige wirkliche Meister dieser minu-
tiösen Kunst, die unendliche Geduld, Ge-
schicklichkeit und eine genaue Kenntnis der
spezifisch russischen Maltechniken erfordert.
Nicht mindere Kunstfertigkeit, ja vielleicht
noch mehr künstlerische Intiution offenbart
sich in der Restaurierung der herrlichen all-
russischen Bildstickereien kirchlicher Prove-
nienz, von denen einige prächtige Proben aus
dem 16. und 17. Jahrhundert auf der Schau
ausgestellt sind, die zu ihren stärksten Anzie-
hungspunkten gehören. Feinster Farbenzau-
ber verbindet sich hier mit einem stillen
Rhythmus der Komposition zu wirklich wun-
derbarer dekorativer Wirkung. Die Akuratesse
und Stilsicherheit der renovierten Stücke
macht den Mitarbeiterinnen der „.Restaura-
tions-Werkstätten“ alle Ehre. In erster Reihe
sind die Damen T. Alexandrowa-Dol-
nik und N. Schabeiskaja zu nennen, die
in dem obenerwähnten Sammelbande wert-
volle Aufklärungen über die Technik der alt-
russischen Bildstickerei und ihre diversen Ar-
ten geben. P.Ettinger
DIE SAMMLUNG DR. GEORG BLOHM
Im Herbst findet bei Commeter, Ham-
burg, die Versteigerung der bekannten Samm-
lung von Handzeichnungen des 18. bis 20.
Jahrhunderts aus dem Besitz des verstorbenen
Rechtsanwalts Dr. Georg Blohm statt. Sie war
eine der wenigen Sammlungen in Hamburg,
die sich nach den Verkäufen der A. 0. Meyer-
schen, der Engelbrechtschen und der Glüen-
steinschen Kollektionen erhalten hatte. Aus
der Zeit des Klassizismus und der Romantik
sind Studien von Overbeck, von Cornelius, von
Ph.Veit, „Aquarell zum Fresko der sieben fet-
ten Jahre der Casa Bartholdy“ zu nennen. Das
deutscheRom vervollständigen Reinhart, Koch,
Genelli, Rottmann, Preller. Auch Schnorr v.
Carolsfeld, Steinle, Olivier sind vertreten. Aus
der Münchner Schule finden wir Arbeiten von
P. Ließ, Bürkel, A. Adam, reizvolle Studien

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