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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 24
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0805

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KUNST-LITERATUR

Hans f. secker: die galerie der
NEUZEIT IM MUSEUM WALLRAF-
RICHARTZ. Herausgegeben von der Wall-
raf - Richartz - Gesellschaft. Leipzig 1927.
Rlinkhardt & Biermann.
Im Dezember 11923 übergab Hans F. Secker
die von ihm völlig umgeordnete neuzeitliche
Abteilung des Wallraf-Museums der Öffent-
lichkeit. Seine Kauftätigkeit, 1922 begonnen,
fällt zum großen Teil schon diesseits jenes
Termins. Die zweite Tat, ein Rechenschaftsbe-
richt über die Neuordnung sowie über seine
Ankäufe und Ankaufspolitik, liegt nun in Ge-
stalt einer stattlichen Publikation vor, mit
142 Abbildungen aus den älteren Beständen
und 100 Tafeln der Neuerwerbungen, davon
drei in hervorragendem Farbendruck; das
Ganze von der rührigen Wallraf-Richartz-Ge-
sellschaft herausgegeben (deren Jahrbücher,
dank der Rührigkeit Walter Cohens, bereits
viermal erschienen sind) und vom Verlage
Klinkhardt & Biermann mit gewohnter Sorg-
falt ausgestattet.
Nach dem Tode Hagelstanges war das große
Kölner Museum acht Jahre lang verwaist, die
schwungvollen Ansätze zu einer modernen Ga-
lerie, Zeugnisse des feurigen Temperaments
jenes allzu früh Verstorbenen, gewährten den
Anblick eines traurigen Torso. Da ergriff
Secker, dem von seiner Danziger Tätigkeit her
der beste Ruf vorausging, 1922 die Zügel, und
gleich bemerkten die Kölner, daß es mit dem
alten Schlendrian vorbei sei. Es muß leider
zur Unehre der frommen Stadt gesagt werden,
daß die Wirkung nicht erfreulich war; daß
hartnäckiges Mißverstehen, ja Übelwollen von
einflußreichen Seiten sich gegen den unwill-
kommenen Tatendrang erhoben, und daß es
mehrmals so aussah, als ob das nicht mehr lange
so gehen würde. Das Betrüblichste aber waren
nicht die Angriffe und Dummheiten, mit
denen eine banausische Bevölkerung auf Sek-
kers Ankäufe reagierte, sondern die Beschrän-
kung der Ankaufsmittel, die die Stadtverwal-
tung ihm entgegenstellte. Bedenkt man, daß
noch 1927 nicht mehr als 8000 M. zur Verfü-
gung standen, wovon die Hälfte für ITand-
zeichnungen und Graphik ausgegeben werden
mußte, so ist es im höchsten Maße verwun-
derlich, was dennoch erreicht worden ist.
Selbstverständlich waren esPrivatleute, Freunde
der Kunst und des Museums, deren Opferwil-
ligkeit allein fast alle wichtigeren Erwerbun-
gen gestattete; in zwei Fällen (bei Leibi und

Marees) war es die Stadtverwaltung selber, die
außeretatmäßige Mittel bereitstellte. Auch die
Wallraf-Richartz-Gesellschaft konnte, bei be-
schränkten Einkünften, liier und da eingrei-
fen.
Seckers Erklärung der alten Bestände wie sei-
ner eigenen Erwerbungen kann, das muß her-
vorgehoben werden, mit Vergnügen und Nut-
zen gelesen werden. Es ist alles andere als
trockene Aufzählung; der Text von i5o Sei-
ten (zwischen denen freilich Abbildungen ste-
hen) ist von einer geschmeidigen und anteil-
heischenden Diktion, seine Urteile sind wis-
senschaftlich und künstlerisch begründet, der
Ton durchweg überzeugend, ohne auf die hier
nur zu berechtigte Polemik näher einzugehen,
und von angenehmer Leichtigkeit. Es ist einer
der besten Museumsführer geworden, und die
Kölner werden sich das hoffentlich zu ihrer
Beschämung gesagt sein lassen und tätige Ab-
bitte leisten.
Bei einer genauen Prüfung wird man feststel-
len, daß zur Entrüstung wirklich kein Grund
vorliegt ; daß das Niveau künstlerischer Revo-
lutionsstimmung, das Ilagelstanges Erwerbun-
gen bereits fixierten (Kokoschka, Marc usw.),
kaum einmal überschritten worden ist, es sei
denn, man rechne Schmidt-Rottluff, Kirch-
ner und Otto Dix zu den empörenden Neue-
rem, die in einem braven Museum nicht zu
dulden seien. Denn weit mehr als die Hälfte
der erworbenen Bilder stammt aus dem 17.
bis 19. Jahrhundert (wofür Beuckelaer, Ba-
stine, Simon Meister, M. Oppenheim, Rayski,
Feuerbach, Marees, Leibi als die glänzendsten
Punkte genannt seien), während aus der Ge-
genwart von Paula Modersohn und Munch bis
zu Dix und jungen Kölnern von der Art Rä-
derscheidts wenig mehr als zwei Dutzend Num-
mern zu zählen sind. Es war da überall noch
viel oder alles nachzuholen, z.B. was Roman-
tik und Biedermeier, was Kölner und Düssel-
dorfer betrifft (wie wir sie heute schätzen,
d. h. abseits ihrer großen Salonschinken). Das
gilt vor allem auch für die Skulptur, die ein
gleiches hohes Niveau zeigt wie die Malerei;
Lehmbruck, Maillol, Kolbe, R. Sintenis, Hal-
ler, de Fiori, M. Kogan, F. Huf haben mit sein-
guten Arbeiten jetzt erst ihren Einzug ins Köl-
ner Museum gehalten.
Den nächsten fünf Jahren möchte man Secker
eine Fortsetzung im selben Geiste, aber mit
weniger Reibungsflächen und einem Ankaufs-
etat wünschen, der der Tradition eines solchen
Museums würdig ist. Paul F. Schmidt

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