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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 21
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Grunwald, Marc: Betrachtungen zum Isenheimer Altar des Matthias Grünewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0721
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Abb. i

BETRACHTUNGEN ZUM ISENHEIMER ALTAR
DES MATTHIAS GRÜNEWALD von marc grunwald
I. DAS UNBEGRENZTE
Nicht zufällig haben die letzten Jahrzehnte den Weg zum Verständnis gewisser
Höhepunkte geistigen Lehens und Schaffens vergangener Epochen gefunden,
obgleich sie denselben im Hinblick auf Lebens- und Kulturideal zutiefst ent-
gegengesetzt waren. In den Auswirkungen eines, das gesamte Leben durch-
dringenden, rationalistischen Denkens erstarkte zugleich das Sehnen nach
tieferem Erfassen des Metaphysischen in den Künsten. Über das formal Schöne
des Klanges in Tönen, Farben und Linien hinaus wurde wieder die gedankliche
Ursache des Werkes, die Idee als solche in stärkerem Maße zum Erlebnis.
Solange die Werke Joh. Seb. Bachs bekannt sind, haben sie Verehrung ge-
funden, aber noch nie hat z. B. ein Werk wie die H-moll-Messe, welches wohl
mehr als jedes andere die tonkünstlerische Vollendung des Meisters verbindet
mit der Eindringlichkeit transzendenten Schauens und dem klaren Bekenntnis
seines Glaubens, ähnliche Verbreitung gefunden. Am Isenheimer Altar ist es
nicht der soviel gepriesene Realismus der Gestaltung, auch nicht das einmal so
schwere und dann wieder so anmutige Spiel der Farben, was uns ergreift, son-
dern es ist die tiefe Versenkung des Meisters in den Stoff, in die Idee seiner
Darstellungen, die, in dem Klang von Farbe und Linie zu erleben, uns Bedürfnis
geworden ist. In der Aufeinanderfolge der Gemäldetafeln offenbart sich das
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48 Der Cicerone, XX. Jahrg., Heft 21
 
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