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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 21
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0744
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kommen hat. Ihm schließt sich Seiffert-
Wattenberg an, dessen feine malerische
Kultur sich immer gleichbleibt. D-örries ist
mit mehreren Landschaften und Porträts ver-
treten. Seine Malerei ist weicher geworden, und
vor allem seine Landschaften sind von eigen-
tümlichem Lehen. Heitmüller, als Porträ-
tist bekannt, zeigt einige seiner besten Lei-
stungen. Diesen Künstlern zuzuzählen wäre
noch Burger -Mühlfeld, der auf den letz-
ten Ausstellungen''fehlte. Seine neueren Ar-
beiten zeigen Formen, die an-französischen
Kubismus denken lassen. Es würde zu weit
führen, alle die Namen der jüngsten hanno-
verschen Künstler zu nennen, die Beachtung
verdienen. Erwähnt seien noch Ilorchler, des-
sen Kunst von sympathischer menschlicher
Wärme durchdrungen ist, Tholns, Mertens
und Busack, die durch sachlich klare Kom-
positionen auffallen. Auch Ischi von König,
Lichte und Elsp Rose dürften nicht unerwähnt
bleiben. Mit anerkennenswerter Großzügig-
keit ist wieder, wie auch in früheren Ausstel-
lungen der abstrakten Künstlergruppe, die ja
in Hannover besonders stark ist, reichlich
Raum zugestanden worden. Hierzu gehören
Schwitters, Buchheister, Vordemberge-Gilde-
wart, Nitzschke und Prigge. Es soll kein Wert-
urteil sein, wenn die Bildhauer, die diese Aus-
stellung beschickt haben, an letzter Stelle ge-
nannt werden. Es sind im Gegenteil eine Reihe
ganz ausgezeichneter Arbeiten vorhanden, von
denen nur die Büste des Fliegers Koch von
Waterbeck, die Masken von Ilohlt, die Arbei-
ten von Scheuernstuhl, der Kopf eines Chine-
sen von Else Fränkel und eine Bildnisbüste
von Gisela Michel erwähnt seien.
Zieht man die Summe aus dieser Ausstellung,
so kann nur wiederholt werden, sie sichert
Hannover einen Platz — und nicht den letz-
ten — (unter den S tädten, die heute in Deutsch-
land auf dem Gebiete der bildenden Kunst
etwas zu sagen haben.
Die Kestner-GeSeilschaft eröffnte ihre
Wintersaison mit einer van-Gogh-Aus-
stellung. Die gezeigten Bilder stammen aus
dem Besitze des Neffen van Goghs, und es be-
finden sich unter ihnen einige noch nie ver-
öffentlichte und in Deutschland noch nie aus-
gestellte Stücke. So klein diese Schau, gemes-
sen an der augenblicklich in Deutschland aus-
gestellten Sammlung Kröller, erscheinen mag,
hat sie vor dieser doch eins voraus. Während
man dort van Gogh nur in seinen Anfängen
und im letzten Stadium kennenlernen kann,
begegnet man in dieser kleineren Sammlung
Arbeiten aus allen Epochen. Aus der ersten hol-
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ländischen Zeit wären ein Stilleben mit einer
Bibel, ganz im Stile der alten Meister, und ein
Paar Schuhe, die schon an. die späten der
Sammlung Kröller anklingen, zu nennen. Eine
herrliche silberdunstige Ansicht von Paris und
die Mühlen auf dem Montmartre, leiten zur
Pariser Zeit über, an deren Ende jene pointil-
listischen Bilder stehen, die zunächst etwas
hart, dann aber von größter Weichheit und
unendlichem Dufte sind. Auch die kurze Zeit
des Ilinneigens zu japanischer Kunst ist mit
einem charakteristischen Beispiel vertreten. In
Arles, aber noch vor dem Zusammentreffen
mit Gauguin, sind dann die Boote am Strand
entstanden. Eine Zugbrücke, ein Selbstbildnis
von 1888 und ein schöner Knabenkopf, schlie-
ßen sich an. Ein großer Eindruck ist eins der
letzten Bilder, die Kornfelder mit schwarzen
Vögeln. In dieselbe Zeit gehören auch die
Kornähren, ein ganz eigentümliches, fast un-
heimliches Bild, grün in grün, voll von phan-
tastischer Bewegtheit. Es gehört, wie auch eine
Pieta, nach Delacroix (Abb. S.6g5) zu den in
Deutschland noch nicht gezeigten Bildern.
Von besonderem Interesse sind noch einige Ar-
beiten nach bestimmten Vorlagen. Neben be-
kannten Übersetzungen Millets fällt eine Er-
weckung des Lazarus auf, die nach der be-
rühmten Rembrandt-Radierung gemalt ist.
Interessant zu beobachten, wie van Gogh das
Schwarz weiß Rembrandts in Farben umdenkt.
Das Bild ist 1890 entstanden. Stuttmann
MANNHEIMER AUSSTELLUNGEN
Die Karl-Hofer -Ausstellung in der Kunst-
halle (zum 5o. Geburtstag des Künstlers) gab
eine breite — fast zu breite -—- Übersicht über
das Gesamlschaffen. Die Wucht des Eindrucks
hätte durch eine konzentriertere Sichtung (die
Auswahl hatte Hofer selbst getroffen) nur ge-
wonnen. Aber der besondere Anlaß rechtfer-
tigte doch die für das Detailstudium lehrreiche
Häuf ung von Varianten der auf schmaler the-
matischer Basis arbeitenden Gesamtleistung.
Sehr anschaulich die Entwicklung von den An-
fängen aus Marees und, mehr nach der tech-
nischen Seite hin, Thoma und Trübner, über
das Greco-Erlebnis hinweg zum ganz persön-
lichen Stil. Aber auch die Reifezeit des Schaf-
fens verläuft lange nicht so geradlinig, als ge-
meinhin angenommen, immer wieder erfolgen
technische Aberrationen, immer spürt man
wieder in überraschenden Kontrasten, wie sehr
die Einfachheit des in sich ruhenden Weltbilds
aus konträren Elementen einer sehr kompli-
zierten Natur geradezu kämpferisch erzwun-
gen ist. Und wie infolgedessen auch nur eine
 
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