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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 13
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Burchard, Ludwig: Die Begegnung zweier Feldherren von Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0408

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DIE BEGEGNUNG ZWEIER FELDHERREN
VON RUBENS VON LUDWIG BURCHARD
Die neuerdings wachsende Vorliebe gerade für Skizzen von Rubens bat in den letzten
Jahren kurz nacheinander zwei Fassungen der Skizze »Begegnung zweier Feldherren«
ans Licht gebracht, von denen die eine, in vollen Farben ausgeführt, der Galerie van
Diemen gehört (siehe Farbtafel), während die andere, eine farbig nur leicht an-
gehauchte Grisaille, in die Sammlung von Herrn Franz Koenigs in Haarlem gelangt
ist. Leichte Unterschiede — auf der Farbskizze hält der links stehende Feldherr seine
rechte Hand geschlossen, während er sie auf der Grisaille mit gespreizten Fingern,
etwas rhetorisch, von sich streckt •—- lassen darüber keinen Zweifel, daß die Grisaille
der voll in Farben ausgeführten Skizze zeitlich vorangegangen sein muß. Eine zwei-
malige Behandlung in Skizzenform, wie sie hier vorliegt, steht im Werk von Rubens
nicht vereinzelt da. Auch zu den in reicher Zahl auf uns gekommenen Farbskizzen
für die Deckenbilder der Antwerpener Jesuitenkirche sind einige vorbereitende Grisaillen,
jetzt im Ashmolean Museum in Oxford, erhalten, die kompositionell nur in Kleinig-
keiten bei der Skizzierung in vollen Farben verändert und verbessert worden sind.
Welche Begegnung zwischen zwei Feldherren der Antike Rubens hier darstellen wollte,
hat sich bisher nicht ermitteln lassen. So deutlich der Vorgang wiedergegeben ist
—- es handelt sich offensichtlich nicht um Sieger und Besiegten, sondern um zwei
gleich erfolgreiche Führer, die sich auf dem Schlachtfeld verbünden — die genauere
Deutung bleibt noch zu finden und ihr Nachweis wird bei einem so sinnreichen Er-
zähler wie Rubens nicht überflüssig sein. Der innere Sinn der Darstellung wird nur
noch gewinnen, wenn auch der äußere Sinn erschlossen ist.
Der innere Sinn der Szene, die Würde und Kraft der beiden Männer, die sich zu
Siegen verbünden und von einem Genius mit Lorbeer und Palme bekrönt werden,
kommt in dem beweglichen Wuchs der Gestalten, in der festen Geschlossenheit der
Gruppe, in dem hohen Aufragen vor den Mauern und Bastionen ebenso zu Gewicht
und Geltung wie die Festlichkeit und der Ernst des Ereignisses durch den hellen und
vollen Klang der Farben, die den ganzen Umkreis des Spektrums durchlaufen und doch
in sich aufs strengste subordiniert sind.
Es liegt nahe, die Skizze mit dem Constantinszyklus, der 1622 entstanden ist, in Ver-
bindung zu bringen. Auffassung und Malweise würden diesem Datum nicht wider-
sprechen. Aber es bleibt, solange die Szene ungedeutet ist, fraglich, ob »Constantin
und Licinius« oder etwa »Scipio und Hannibal« gemeint sind. Denn in den Augen
von Rubens sind alle Heroen des Altertums mehr oder weniger Römer, selbst die
Griechen der klassischen Zeit und sogar die Patriarchen des Alten Bundes. Der Klassi-
zismus der Flaxman und Genelli hat die Rubenssche Auffassung vom Aussehen der
Griechen aus unserer Vorstellung verdrängt. Die Heroen des Alten Testaments ver-
mögen wir nur noch mit den Augen Rembrandts uns vorzustellen. Für das Bild der
Römer ist Rubens bis heute der Interpret geblieben. Wir sehen die Römer, auch ohne
es zu wissen, mit den Augen von Rubens.

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