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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 8
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Scharf, Alfred: Ein Frauenbildnis des Hans Mülich
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0243

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EIN FRAUENBILDNIS DES HANS MÜLICH

VON ALFRED SCHARF

In die Zeit zwisclien die Entstehung des Bildnisses des Münchner Stadtkämmerers und
späteren Bürgermeisters Andreas Ligsalz im Jahre 1540 und des seiner Gattin 1542
(München, Alte Pinakothek) fällt eine Reise Mülichs nach Italien, die ihn am 51. Oktober
1541 in llom zum Zeugen eines künstlerischen Ereignisses von höchster Bedeutung,
der Enthüllung des Jüngsten Gerichtes Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle
machte. So sehr der Eindruck, den das gigantische Werk auf ihn ausübte, in seinen
figürlichen Kompositionen zu spüren ist, so wenig hat der römische Aufenthalt seinen
Bildnisstil zu beeinflussen vermocht. Zwischen den beiden Ligsalzbildnissen ist stilistisch,
abgesehen von Einzelheiten motivischer Art wie dem umgeschlagenen Vorhang und
koloristischen Effekten wie den gelben Lichtern und tiefen braunen Schatten, kein be-
merkenswerter Unterschied. Dieser Eindruck wird bestätigt durch das liier reproduzierte
Frauenbildnis, das im Jahre seiner Italienreise entstanden ist, wie die inschriftliche Be-
zeichnung aufweist. Es ist das einzige Werk Mülichs, das wir aus dem Jahre 1541
kennen. Wegen seiner engen Beziehung zum Bildnis der Gattin des Andreas Ligsalz
wird es nach seiner Italienreise in München entstanden sein, das heißt kurz vor
Jahresende, da der Künstler Ende Oktober und wohl noch in den ersten November-
tagen in Rom gewesen ist. Die Vermutung Röttgers (Der Maler Hans Mülicli, 1924,
Seite 20), daß Mülich erst im Frühsommer 1542 nach München zurückgekehrt sei,
verliert dadurch stark an Wahrscheinlichkeit.

Auf dem Bildnis steht die Dargestellte in Halbfigur leicht nach links gewendet vor
Mauerstreifen und Vorhang. Die Figur füllt in bürgerlicher Breite fast den ganzen
Bildraum. Die großen, vor dem Leib ineinandergelegten, ausdrucksvollen Hände und
die horizontal gelagerten Unterarme betonen als einzige das Körperliche der Dar-
stellung und das Voluminöse der figuralen Ersclieinung. Im großen wirkt das Bild un-
räumlich, mehr durch seinen zeichnerischen Umriß als durch Figurenplastik. Die gelb-
lich braune Mauer und der grüne Vorhang dienen nur zur dekorativen Füllung der
Bildfläche, lediglich als Folie für die Figur. Die koloristischen Akzente sind klug ver-
teilt, die farbige Harmonie von gelb, rostbraun und grün, charakteristisch für Mülich,
verleiht dem Bilde trotz der klar begrenzten Farbflächen und der etwas gezwungenen
Haltung reizvolle Frische und Lebhaftigkeit.

In der Entwicklung Mülichs bedeutet das Bildnis die Brücke zwischen den Ligsalz-
Bildnissen. Es hat in Ausdruck und Darstellung die lineare Starrheit des Andreas
Ligsalz verloren und an Freiheit gewonnen. So sehr Mülich im Frauenbildnis die
malerischen Elemente betont und bereichert, so sehr bleibt es im Räumlichen hinter
dem Bildnis von 1542 zurück. Noch verwendet der Künstler die ineinandergelegten
Hände und den umgeschlagenen Vorhang zur Kennzeichnung der Raumschichten, aber
ein Tischchen im Vordergrund und Ausblick auf eine Landschaft verstärken bei diesem
den plastischen Eindruck und verankern die Figur im räumlichen Zusammenhang.

17 Der Cicerone, Jahrg. XXIT, Ileft 8

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