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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 9
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Goebel, Heinrich: Die Wandteppiche der Sammlung Dr. Albert Figdor
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0271

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Abb. 1. Schweiz, um 1450

Aus dem Kloster Bruch bei Luzern

Wilde Leute und Tiere

DIE WANDTEPPICHE DER SAMMLUNG

Dr. ALBERT FIGDOR VON HEINRICH GÖBEL

Die Sammlung Figdor, eine der größten und qualitativ wertvollsten der alten Welt,
steht unmittelbar vor ihrer Auf lösung. Kunstwerke, die mit seltenem Kennerblick, mit
eifernder Liebe zusammengetragen wurden, zerstreuen sich in alle Winde. Es erscheint
mir als eine Pflicht der Pietät, eine Gruppe des großen Ganzen, die besonders klar den
einenden Geist des einstigen Besitzers verrät, ich meine die Wandteppiche, Fragmente
und Kissenblätter — insgesamt 56 Katalognummern —, einer kurzen Würdigung zu
unterziehen.

Daß Dr. Albert Figdor nur Qualität sammelte, ist bekannt. Interessant erscheint mir
aber der Gesichtspunkt, unter dem er seine Wirkereien zusammentrug, Arbeiten, die
durchgängig von dem hergebrachten Schema abweichen, die den Stempel des Geistigen
tragen. Daß der Löwenanteil den deutschen Wandteppichen des 15. Jahrhunderts zu-
fällt, nimmt nicht weiter Wunder.

Flandern •—-Brabant ist in erster Linie durch einen Tournaiser Behang um 147 g und
eine Brüsseler Wirkerei um 1 g 1 o vertreten.

Die Bildwirkerei von Tournai aus der zweiten Hälfte des 1 g. Säkulums ist in den letzten
Jahrzehnten ein beliebter Gegenstand kunsthistorischen Interesses gewesen. Auch die
Holzhauer- und Winzer-Teppiche, zu denen der Figdor-Behang zählt, sind eingehend
erforscht und behandelt worden. Zu dem gängigen Typ dieser Gattung gehört der
zur Besprechung stehende Behang keinesfalls. Wir finden zwar die gleichen Bauern-
gestalten, das Astmesser am Gürtel, den Keulenstock in der Hand; ihre Tätigkeit be-
schränkt sich aber nicht, wie in den sonstigen Fällen, auf die Waldrodung oder, wenn
es gut geht, auf das Karessieren mit Mägden; sie finden sich zu einer Gerichtstagung
zusammen. Das Motiv des Figdor-Teppichs ist ungewöhnlich; eine verwandte Dar-
stellung ist mir in keinem weiteren Behang bekannt. Der Teppich 1 (Abb. 2, 5,70 m
hoch, 3,96 m breit, Wolle und Seide) ist ein Teilstück eines langen Behanges, der
augenscheinlich rechts in ein oder zwei Episoden seine Fortsetzung fand.
Augenscheinlich handelt es sich um die Yerkündung eines lehensherrlichen Erlasses

1 Betty Kurth, Ein franko-flämischer Bauernteppich der Sammlung Figdor: Belvedere, Jahrg. g,
Heft 2, S. 45f.

19 Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 9

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