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Clemen, Paul
Die gotischen Monumentalmalereien der Rheinlande: mit Beiträgen von Burkhard Frhrn. v. Lepel und Margot Remy (Text) — Düsseldorf, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.28108#0054
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Die Lime der epischen Schilderung, wie wir sie nennen möchten, die der Cäcihenmeister verkörpert, möchte man weiter
gesponnen sich vorstellen m einer Reihe von Werken, die an den Grenzen unseres rheimschen Kunstgebietes entstanden sind.
Das sind emmal die 73 Bilder, die der Urkundensammlung des Kurfürsten Balduin von Luxemburg 1m Staatsarchiv zu Koblenz
vorgeheftet sind1"6, die die großen Ereignisse 1m Leben des Kurfürsten, dann vor allem aber die Romfahrt seines Bruders, des
Kaisers Heinnch VII., lllustrieren. Siesindaberdoch wohl wesenthch nachdieser Romfahrt unddem frühen Todedes Kaisers,der
hier abgebildet lst(1313), angefertigt, nachdem Ansatz von Kautzschmcht vor 1340(Fig.34u.35).Undnunbenchteteinefreihch ein
wemg unsichere Tradition, daß der Erzbischof Balduin diese Geschichte auf den Wänden semes Palastes hat darstellen lassen.
Es liegt nahe, diese Bilder mit einem solchen Vorhaben m Beziehung zu setzen. Vielleicht lst es bei dem Plan gebheben, und
dieses Bilderbuch, das an sich gar keine Beziehung zu der Urkundensammlung hat, mit der es verbunden lst, das nach der Art
der Darstellung, dem Format, der Komposition wie nach der Art der Inschriften sehr wohl auf Wandmalereien deuten könnte,
hätte dann die Vorlagen enthalten, aus denen etwa die fiir den malerischen Schmuck des Raumes geeigneten hätten ausgesucht
werden können. In jedem Falle aber haben wir hier ein Werk von einem ausgeprägten Charakter dieses erzählenden Stiles,
das man mcht wohl mit lrgendwelchen gleichzeitigen französischen oder belgisch-Iothringischen Werken m Verbindung bnngen
kann. Es ist immerhin auffällig, daß gerade hier an dem Hof des französisch erzogenen, französisch sprechenden Erzbischofs
die Ausbildung eines so unfranzösischen selbständigen Monumentalstiles möglich war.

Am östhchen Rande dieses rheimschen Gebietes stehen die Wandmalereien von Fraurombach lm oberhessischen Kreis
Lauterbach127, die Kautzsch zuerst eingehend behandelt hat, die lch aber noch an das Ende des ersten Viertels des Jahrhunderts
setzen möchte. Die ganz lm Sinne des Cäcihenmeisters behandelten Breitbilder aus der Geschichte des h. Herakhus zeigen noch
die Strenge des friihgotischen Kanons, straffe, Ianggestreckte Gestalten, noch gar mcht von jener Empfindsamkeit der Linie be~
wegt, nur wemg dem Fluß der konventionellen Limenfiihrung m der Gewandung folgend.

Der ältere Meister von St. Andreas, der mit semen beiden großen Wandmalereien der Krönung der Mana und dem
Weltenrichter vielleicht unmittelbar an die Altarweihe von 1312 anzureihen ist, und die Kiinstler, die in der Peripherie von Köln
arbeiten, der eine in Marienhagen im Oberbergischen, der andere m dem Eifelkloster zu Steinfeld, bilden eme Gruppe fiir sich,
mit dem Versuch einer Monumentahsierung des neuen gotischen Schemas. Die Kolossalfiguren des älteren Andreasmeisters
mit den iibergroßen Köpfen lassen deuthch noch die Verwandtschaft mit der flandrischen Tradition erkennen. Das große Stand-
bild der Madonna m Steinfeld darf direkt neben die ersten Versuche einer selbständigen plastischen Bildung dieses Motivs an
der Penpherie des westhchen Kunstkreises gesetzt werden. Das Kunstwollen m diesen Werken lst eines, das mit den enghschen
Schöpfungen dieser Zeit schwerlich etwas zu tun hat, ganz sicher nicht mit der feinen Zeichenkunst der Prachthandschriften,
die damals die Vehikel der künstlenschen Tradition nach dem Kontinent waren. In der monumentalen Gesinnung, in dem
Figurenkanon und den künstlenschen Mitteln findet der ältere Meister von St. Andreas emen nahen Verwandten in dem Künst-
ler, der die Stirnwände des großen Refektonums lm Hospital der Bylocke m Gent geschmückt hat128. Der Bau ist zwischen
1323 und 1330 anzusetzen, damals wohl auch sofort der malerische Schmuck entstanden. An der einen Schmalwand dommiert
das ganz mächtige und großartige Bild der Marienkrönung (4,50 m hoch) m einem Vierpaßrahmen, darunter spannt sich, die
ganze Breite der Fläche einnehmend, als ein Sockelband die Darstellung des Abendmahles als der charakteristische Schmuck
des Refektoriums: der Herr mit seinen Jüngern mmmt gewissermaßen auf einer Estrade an den Mahlzeiten der Hospitahnsassen
geistig teil. Die Krönung Manä, die eme seltsam altertümhche und schwere Formgebung aufweist, wie die gegenüberstehenden

126 Irmer, Die Romfahrt Kaiser Heinrichs VII. im Bilderzyklus des Codex Balduini Trevirensis, Berhn 1881, mit farbiger Wiedergabe der Bdder und ausführlichem Text.
Besprechung i. Histor. Jahrbuch d. Görresgesellschaft III, S. 690. — 0. Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter II, S. 8. — Erschöpfende Bibhographie i.
Repertor. f. Kunstwiss. XXXIII, 1910, S. 231, von W. Scheffler. Auf die Möghchkeit, daß es sich um Vorbdder — oder Kopien — der von Balduin m Trier ausgeführten
Gemälde handele, hatte ich schon 1905 hingewiesen (Meisterwerke westdeutscher Malerei auf der Kunsthistor. Ausstellung Düsseldorf 1904, S. XIV). Vgl. auch J. v.
Schlosser, Zur Kenntnis d. künstlerischen Uberlieferung i. späten Mittelalter, S. 303.

Die Nachricht über die Ausführung von Gemälden stammt von dem Abt Johannes Victrmg (der schon 1307 von Tner nach Steiermark kommt, wo er 1314 Abt wird).
Nach dem Wortlaut (Bochmer, Fontes II, p. 140: Trevirorum archiepiscopus omma paene gesta fratns m palatio suo egregie et artificialiter valde depinxit) hat der Erzbischof
nach seiner Rückkehr aus Italien die Taten seines verstorbenen Bruders malen lassen, und zwar, wie Johannes Cuspiman, De Caesanbus atque Imperatoribus, Rom 1540,
p. 555, ausdrücklich sagt, in aula Treverensi, also in seinem Palast. Immerhin handelt es sich um eine zeitgenössische Nachricht, die nicht ohne weiteres verworfen werden
kann, auch wenn spätere Tnerer Historiker mchts davon berichten.

127 Rudolf Kautzsch, Die Herakliusbilder zu Fraurombach m Oberhessen: Studien aus Kunst und Geschichte, Fnedr. Schneider zum 70. Geburtstag gewidmet, Freiburg i.
Br. 1906, S. 509, mit Ubersichtstafeln. — Ders. i. d. kunstwissenschaftlichen Beiträgen für Aug. Schmarsow, Leipzig 1907, S. 92. Hier sucht er die Entstehung der Wand-
bilder auf die Zeit zwischen 1330 und 1340 festzulegen. Sie scheinen mir St. Cäcilia, zugleich aber auch Kenzingen und Reutlingen sehr viel näher zu stehen als die
gegen die Jahrhundertmitte entstandenen Werke. Deshalb dürfte auch die Ansetzung, die W. Dammann, Hirschhorn, Ilbenstadt und Fraurombach, drei zyklische Wand-
malereien um 1350: Monatshefte für Kunstwissenschaft VII, 1914, S. 131, 141, gibt, zu spät gegnffen sein. Uber Hirschhorn und Ilbenstadt vgl. unten.

128 Uber die Malereien in der Bylocke vgl. L. Maeterlinck, Une ecole preeyckienne lnconnue, Paris 1925. — Arnold Goffin, L’art religieux en Belgique. La peinture des
origines ä Ia fin du XVIIIe siecle.— Inventaire archeologique de Gand, April 1898 m. Abb. —L. van Puyvelde, Peintures murales du XIVe siecle, decouvertes ä Gand:
Gaz. des Beaux-Arts 5. sene, LXVII, 1925, II, p. 124. — Ders. in der Monographie, La Bylocke de Gand, 1928, mit guten Lichtdrucken. — Große Abb. auch i. d. Revue
d’art XXVII, 1926, p. 52.

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