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Clemen, Paul
Die gotischen Monumentalmalereien der Rheinlande: mit Beiträgen von Burkhard Frhrn. v. Lepel und Margot Remy (Text) — Düsseldorf, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.28108#0394
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zeigt eine starke Verwandtschaft mit St. Goar, so daß man, auch
hmsichthch lhres Gesichtstypus, für diese Bilder an die Herkunft
aus emer ganz ähnhchen Vorlage denken darf (Fig. 377, 378).

Der Einfluß des Meisters E. S. macht sich auch in anderen Ge-
wölben geltend, so bei der Manendarstellung 1m östlichen Nachbar-
gewölbe, deren Komposition wir beim Meister E. S. wiederfinden. Das
Kind, auf dem linken Unterarm der Maria, hält ebenso in der ge-
spreizten rechten Hand wie zum Spielen eine Blume. Das lockige
Haar der Maria, ihre hohe Stirn und die Anordnung der Falten so-
wohl des Kleides wie des durch den Griff der linken Hand zusam-
mengerafften Mantels ist beiden Darstellungen gemeinsam. Beim
Christophorus im zweiten Gewölbe von Westen des südlichen Seiten-
schiffs zeigen sich, wenn auch mcht so ausgesprochen, Beziehungen zu
dem Stich des Meisters E. S. (L. 140). Beide Darstellungen haben die-
selbe Anlage, ebenso den wallenden Mantel, die aufgekrempelten engen
Hosen, dieselbe Haltung der Hände und des Kopfes, wie die frontale
Stellung des Christkindes27. Eine ähnhche Parallele weist m demselben
Gewölbe Johannes der Täufer mit dem Stich des E. S. (L. 148) auf.
Beinstellung, Kopfform und Haltung der Hände sind dieselben28.
Weiter sind m der Darstellung der heiligen drei Kömge im nördhchen
Seitenschiff gewisse Anklänge an einen Stich des Meisters E. S. fest-
. . zustellen. Der aufrechtstehende ältere König zeigt beim E. S. (L. 27)

Fig. 377. Tafelbild mit Kircnenvater, 1m Besitz von Konsul Stocky in Köln. ,, T..T1 1 n 1 D * 11* • l l

dieselbe Ubereckstellung der ßeine und die zeigende ßewegung des

rechten Armes. Der Kopf lst ähnhch durch Locken und Vollbart um-

rahmt. Zuletzt besteht noch eine Beziehung der Sebastianslegende zu einigen Stichen des E. S. In dem Zwickel gegenüber

dem Heihgen zeigt der anlegende Schütze dieselbe Haltung wie auf dem Stich des E. S. (L. 158). Ebenso sind Kleidung und

Bewaffnung sehr ähnhch. Beim Stich L. 156 lst die Haltung ähnhch der lm Turmgewölbe m St. Goar, der rechte Arm lst nach

oben gestreckt und angebunden, der Kopf lst auf die rechte Schulter gelegt, der linke Arm auf dem Rücken festgebunden, die

Beine rechtwinkhg zueinander gesetzt und die Bewegung des Körpers nach hnks geneigt. Beim Stich L. 155 haben wir eine

ähnhche auseinandergehende Beinstellung wie im Seitenschiff m St. Goar. Auch beim E. S. scheint der Heilige mit dem

spitz nach uriten zulaufenden linken Fuß nur zu schweben, nicht zu stehen. Der h. Valentin kommt als Bischof mit dem

fallsüchtigen Kinde auf einem Stich des E. S. (sechs Medaillons mit religiösen Darstellungen) zusammen mit dem h. Stephanus

vor. Diese Einflüsse und Beziehungen zu Stichen des E. S. zeigen, ähnlich wie bei der direkten Ubernahme lm Kirchenväter-

gewölbe eine gewisse Abwandlung der Vorlagen ms Breitere und Malensche. Die Ubertragung auf große Flächen bedingte einen

Verzicht auf Genauigkeit und Schärfe m der Einzelform. Die Anlehnung beruht auf einer mehr oder wemger freien Veränderung

der Komposition, vielfach nur auf der Herübernahme von Details.

Wemger unmittelbar wie beim Meister E. S. ist der Einfluß Martin Schongauers nachzuweisen. Einzelheiten besonders
bei den weiblichen Heihgen im nördlichen Seitenschiff gehen auf ihn zurück. Sein Einfluß ist mehr in der Gesamthaltung der
Wandmalereien gerade m diesem Seitenschiff zu spüren29’30.

Auf den Einfluß des Hausbuchmeisters m St. Goar hat schon Back31 hingewiesen und Storck32 hat lhn mit Vorbehalt ver-

"7 Vgl. Iiierzu Ernst Konrad Stahl, Die Legende vom h. Riesen Christophorus in der Graphik des 15. u. 16. Jh., München 1920. Von dem dort angeführten umfangreichen
Matenal weist das Vorbild des Meisters E. S. am meisten Beziehungen zu dem Wandbilde in St. Goar auf.

28 Die Figur des Johannes, wie wir sie sowohl in der Vorlage des E. S. wie zweimal in der Wandmalerei in der Stiftskirche haben, ist gleichzeitig auch in der Tafelmalerei
verbreitet gewesen. Sehr ähnhch ist die Darstellung auf einem Bild des Münsterer Landesmuseums, einem noli me tangere aus dem Jahre 1489, abgebildet bei Heise, Nord-
deutsche Malerei, Taf. 23.

29 Max Lehrs, Martin Schongauer, Nachbildungen seiner Kupferstiche, fünfte außerordentliche Veröffentlichung der graphischen Gesellschaft, Berlin 1914. — Taf. VIII:
Christus betend lm Garten von Gethsemane, in der Anlage derselben Darstellung im Turmgewölbe sehr ähnlich.

30 Vgl. hierzu Karl Gutmann, Martin Schongauer und die Fresken im Münster zu Breisach: Repertorium für Kunstwissenschaft XLIII, 1922, S. 62 ff. — Gutmann macht
es wahrschemhch, daß die nur noch m genngen überresten erhaltenen Malereien eines monumentalen Jüngsten Gerichts im Westbau des Breisacher Münsters aus der
Zeit bald nach 1485 auf Marlin Schongauer zurückgehen.

E1Vgl. F. Back, Werke der Plastik u. Malerei m Oberwesel: in der Zs. d. rhein. Vereins f. Denkmalpflege und Heimatschutz, 1922, Sonderheft über Oberwesel, S. 79. „Die
Kunst des Hausbuchmeisters hat m Oberwesel wie lm nahen St. Goar Eingang gefunden.“

32 W. F. Storck i. d. Monatsheften für Kunstwissenschaft, 1910, S. 286: „Spuren des Hausbuchmeisters in der Stiftskirche zu St. Goar, besonders das Martyrium des h. Se-
bastian in einem Zwickel des nördhchen Seitenschiffs scheint nahe Beziehungen zur Kunst des Meisters zu haben.“ Ders. 1912: „Ein Einfluß des Hausbm. in der mittel-
rhein. Wandmal. kann vermutungsweise mit einigem Vorbehalt ausgesprochen werden.“

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