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eben oder Wasserablauf fortsetzt. Von der Mitte dieser Strasse ist der Abstand bis zum
Palast eben so gross, als bis zu der Rückenmauer der Kirche. Diese Mauer, die Ostseite
der Kreuzarme, gibt uns die Richtung und Breite einer zweiten Parallelstrasse, die zum
Rheinthor, der Saalgasse entlang, hereinkam. Eine dritte Parallelstrasse mag dicht vor
der Basilika hergeführt haben; auf ihrer Breite wären dann die kleinen, diesen Sommer
abgerissenen Häuser erbaut gewesen; sie hatte neben sich links einen Brunnen vor der
Basilika und rechts hinter dem Bolander. Ob zwischen beiden Wegen und diese durch-
setzend ein Paradies mit Säulenstellungen oder Aehnliches gewesen, lässt sich nirgends
mehr nachweisen.
Die drei von Süden nach Norden laufenden Strassen wurden durch andere recht-
winklig durchschnitten, die eine auf der Südseite der Kirche, etwa an dem Fartey-Brunnen
(ob von Fautey oder Vogtey?) vorbei, lässt sich nur vermuthen; desto besseren Anhalt
haben wir für eine andere Strasse, welche zum Heidesheimer Thor herein führte, gerade
auf den Saalbrunnen zulief, und in ihrer Verlängerung das Triclinium des Palastes traf.
Wie nun zwischen diesem rechtwinkligen Strassennetz die verschiedenen, zur Villa ge-
hörigen Wirthschafts- und Werkstätte-Räume vertheilt waren, wäre vielleicht aus den
Capitularen und andern Schriften wahrscheinlich zu machen; an Ort und Stelle fehlt uns
dazu jeder Anhalt.
Schluss.
Wenn wir denken, dass über fünfzig Jahr wieder einmal Jemand es unternehmen
mögte, Kaiser Karls Palast aufzusuchen und zu beschreiben, und dass er wohl von all der
Herrlichkeit keinen Stein mehr finden wird, der ihm sagt: Hier war es! — so mögten
wir auch unsere Schilderung verwerfen, denn es ist wahrlich nicht genug, das, was
noch ernst und mahnend neben uns steht, immer wieder nur zu Papier zu machen, und
es für möglich zu halten, das Wesen, was uns ergriffen hat, nur in Zahlen und Skizzen für
Andere aufzubewahren. An Resten von Papier wird es unseren Nachkommen wahrlich nicht
fehlen, übrig genug, um sie unempfindlich dafür zu machen, wie wir es auch bald sind.
Aber der graue Stein, an dem die grossen Zeiten vorübergegangen, dem die Geschichte
ihre Weihe gegeben, zu reden zu dem, der Augen hat, zu sehen, und ein Herz, die
alte Herrlichkeit wieder mit durchzuleben, was dahin ist, zu betrauern, und was
möglich zu erhoffen — der Stein muss erhalten werden, und — möge auch dieser bald
seine Beschützer finden.
MAINZ, den 16. September 1852.
A. v. Lohausen
eben oder Wasserablauf fortsetzt. Von der Mitte dieser Strasse ist der Abstand bis zum
Palast eben so gross, als bis zu der Rückenmauer der Kirche. Diese Mauer, die Ostseite
der Kreuzarme, gibt uns die Richtung und Breite einer zweiten Parallelstrasse, die zum
Rheinthor, der Saalgasse entlang, hereinkam. Eine dritte Parallelstrasse mag dicht vor
der Basilika hergeführt haben; auf ihrer Breite wären dann die kleinen, diesen Sommer
abgerissenen Häuser erbaut gewesen; sie hatte neben sich links einen Brunnen vor der
Basilika und rechts hinter dem Bolander. Ob zwischen beiden Wegen und diese durch-
setzend ein Paradies mit Säulenstellungen oder Aehnliches gewesen, lässt sich nirgends
mehr nachweisen.
Die drei von Süden nach Norden laufenden Strassen wurden durch andere recht-
winklig durchschnitten, die eine auf der Südseite der Kirche, etwa an dem Fartey-Brunnen
(ob von Fautey oder Vogtey?) vorbei, lässt sich nur vermuthen; desto besseren Anhalt
haben wir für eine andere Strasse, welche zum Heidesheimer Thor herein führte, gerade
auf den Saalbrunnen zulief, und in ihrer Verlängerung das Triclinium des Palastes traf.
Wie nun zwischen diesem rechtwinkligen Strassennetz die verschiedenen, zur Villa ge-
hörigen Wirthschafts- und Werkstätte-Räume vertheilt waren, wäre vielleicht aus den
Capitularen und andern Schriften wahrscheinlich zu machen; an Ort und Stelle fehlt uns
dazu jeder Anhalt.
Schluss.
Wenn wir denken, dass über fünfzig Jahr wieder einmal Jemand es unternehmen
mögte, Kaiser Karls Palast aufzusuchen und zu beschreiben, und dass er wohl von all der
Herrlichkeit keinen Stein mehr finden wird, der ihm sagt: Hier war es! — so mögten
wir auch unsere Schilderung verwerfen, denn es ist wahrlich nicht genug, das, was
noch ernst und mahnend neben uns steht, immer wieder nur zu Papier zu machen, und
es für möglich zu halten, das Wesen, was uns ergriffen hat, nur in Zahlen und Skizzen für
Andere aufzubewahren. An Resten von Papier wird es unseren Nachkommen wahrlich nicht
fehlen, übrig genug, um sie unempfindlich dafür zu machen, wie wir es auch bald sind.
Aber der graue Stein, an dem die grossen Zeiten vorübergegangen, dem die Geschichte
ihre Weihe gegeben, zu reden zu dem, der Augen hat, zu sehen, und ein Herz, die
alte Herrlichkeit wieder mit durchzuleben, was dahin ist, zu betrauern, und was
möglich zu erhoffen — der Stein muss erhalten werden, und — möge auch dieser bald
seine Beschützer finden.
MAINZ, den 16. September 1852.
A. v. Lohausen