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Die rheinische Plastik der Renaissance, der Barock- u. Rokoko-Zeit 33
schelten und monumentale Haltung, wie sie etwa das Metzen-
hausen-Denkmal im Trierer Dom (von 1542) auszeichnet, ent-
behren und wird doch immer wieder darauf zurückkommen,
gerade in den scheinbaren Fehlern die ganze Eigenart dieser
niederrheinischen Holzbildner, ihren Erfindungsreichtum und
die unerschöpfliche Fülle geistreichster Einzelbildungen, zu
erkennen. Der aus Italien oder Oberdeutschland mitgebrachte
Begriff „Renaissance“ muss sich hier freilich eine Umdeutung
gefallen lassen, die eigentlich durch die Bezeichnung „Früh-
barock“ besser gekennzeichnet würde.
Ein rein äusserlicher Umstand, die Abkehr von dem
leicht zu bearbeitenden Holz und der Uebergang zum spröderen
Material des Steines, unter dem Tuff- und Sandstein sich
grösserer Beliebtheit als die edleren Arten erfreuen, charak-
terisiert die spätere Entwicklung rheinischer Plastik, wie sie
auch durch die Aufstellung im Bonner Museum illustriert wird.
Besonders bei Grabdenkmälern erfährt das in rheinischen Ber-
gen gebrochene Material die vielfältigste Verwendung. Es gibt
kaum ein altes Kirchlein links und rechts des Rheines, wobei
mehr an den mittleren und oberen Lauf als an den Nieder-
rhein gedacht wird, in dem sich nicht oft umfangreiche Stein-
grabdenkmäler vornehmer Geschlechter oder von Prälaten aus
der Zeit der deutschen Renaissance befinden. Das Wiltberg-
Epitaph des Peter Osten (von 1571) ist in seinem ganzen
Aufbau charakteristisch für diese Epitaphkunst, deren glor-
reichste Zurschaustellung das Innere des Mainzer Doms bietet.
Diesen kunstvollen Aufbau mit reichgezierten Pilastern und
Bogen, die dekorative bildmässige Art der Reliefkunst bei
den Figuren, nicht zu vergessen die diskrete und geschmack-
volle Vergoldung einzelner Gewandteile, finden wir am Rheine
immer wieder. Die Bildnisfiguren in ihrer mehr schlichten und
gediegenen Ausführungsart sind, besonders im späteren
16. Jhrhrt., den Darstellungen biblischer Vorgänge vorzuziehen.
Hier stört in vielen Fällen eine gewisse Leerheit, ein Un-
berührtsein vom Ernste des Vorgangs, wie wir es niemals
ähnlich bei der feierlichen, sakralen Bildnerei des Mittelalters
empfinden. Mit diesem Mangel kann die technische Ge-
diegenheit, die sich auch bei den Renaissancewerken des
Bonner Museums durch die überaus saubere und hingebende
Art der künstlerischen Bearbeitung des Steines verrät, nicht
ganz aussöhnen.
Im 17. und 18. Jhrhdrt. erfährt die rheinische Plastik eine
neue Blüte, nachdem sie am Ende des 16. Jhrhdrts. zu ver-
sickern drohte. Architektonisch ist diese Zeit ja viel reicher

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