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Saal XVI
IV. Der Westerwald.
„Die Krugbäckerei des sogenannten Kannenbäckerlandes
wurde um 1590 durch die Niederlassung von Meistern aus
Siegburg (Familie Knütgen) und aus Raeren (Mennicken,
Kalb) in den Orten Höhr, Grenzau und Grenzhausen zum
Kunstgewerbe gehoben. Da die Zuzügler zunächst ihre
heimischen Formen weiter verwandten, sind die frühen weissen
und graublauen Westerwälder Steinkrüge von Siegburgern
und Raerenern nicht immer zu unterscheiden. Späterhin
wurden die figürlichen Reliefs weniger gepflegt; man erfand
einfachere Muster aus aufgedruckten Rosetten, Sternen und
Aehnlichem, oft durch eingeritzte Ranken verbunden.“ (Nach
O. v. Falke und M. Creutz, Führer durch das Kunst-
gewerbe-Museum der Stadt Köln.) Dieser Flachstil im Orna-
mentalen ist das Kennzeichen der späteren Entwicklung im
17. und 18. Jhrhdrt. Besonders im Rokoko werden die Ge-
fässformen immer glatter, während eine sich gleichzeitig ent-
wickelnde oft recht dilettantische figürliche Tonplastik, die
mit den Rokokofiguren der berühmten Manufakturen von
Höchst und Ludwigsburg zu wetteifern schien, die bizarre
Beweglichkeit, die unruhige Silhouettierung mit der gesamten
Rokokoplastik teilt.
Das Westerwälder Steinzeug, das heute unter Führung
der Königl. preussischen Fachschule in Höhr wieder einen
neuen Aufschwung genommen hat, ist infolge ■ seines volks-
tümlichen Charakters die verbreitetste der vier Gruppen. Dank
der entwickelten Rheinschiffahrt wurden die hier entstan-
denen Gefässe, auch Teller, bereits im 16. und 17. Jhrhdrt. in
Massen exportiert, vornehmlich nach den Niederlanden und
England. Es wurde vielfach direkt für den englischen Import
gearbeitet. In allen Bauernstuben am Rhein, bis zur hollän-
dischen Grenze, bediente man sich der graublauen Nassauer
Steinzeugwaren; besonders beliebt waren hier die einen erstaun-
lichen Formenreichtum entwickelnden Salzfässer und Schreib-
zeuge. Man bemerkt hier vielfach ganz frühmittelalterlich
anmutendes Ornament romanisierender Ranken mit Tier- und
Menschenfiguren. Bis in die dreissiger und vierziger Jahre
des 19. Jhrhdrts. wurde der Stil des 18. Jhrhdrts. mit ganz
geringer Abänderung weitergeführt; es folgt dann bis zu dem
erwähnten Aufschwung in neuester Zeit eine Zeit reiner Ge-
brauchsware mit aufgemaltem Blauornament. Es gibt kaum
einen anderen Zweig deutscher kunstgewerblicher Betätigung,
der wie das Steinzeug des Nassauer Kannenbäckerländchens
Saal XVI
IV. Der Westerwald.
„Die Krugbäckerei des sogenannten Kannenbäckerlandes
wurde um 1590 durch die Niederlassung von Meistern aus
Siegburg (Familie Knütgen) und aus Raeren (Mennicken,
Kalb) in den Orten Höhr, Grenzau und Grenzhausen zum
Kunstgewerbe gehoben. Da die Zuzügler zunächst ihre
heimischen Formen weiter verwandten, sind die frühen weissen
und graublauen Westerwälder Steinkrüge von Siegburgern
und Raerenern nicht immer zu unterscheiden. Späterhin
wurden die figürlichen Reliefs weniger gepflegt; man erfand
einfachere Muster aus aufgedruckten Rosetten, Sternen und
Aehnlichem, oft durch eingeritzte Ranken verbunden.“ (Nach
O. v. Falke und M. Creutz, Führer durch das Kunst-
gewerbe-Museum der Stadt Köln.) Dieser Flachstil im Orna-
mentalen ist das Kennzeichen der späteren Entwicklung im
17. und 18. Jhrhdrt. Besonders im Rokoko werden die Ge-
fässformen immer glatter, während eine sich gleichzeitig ent-
wickelnde oft recht dilettantische figürliche Tonplastik, die
mit den Rokokofiguren der berühmten Manufakturen von
Höchst und Ludwigsburg zu wetteifern schien, die bizarre
Beweglichkeit, die unruhige Silhouettierung mit der gesamten
Rokokoplastik teilt.
Das Westerwälder Steinzeug, das heute unter Führung
der Königl. preussischen Fachschule in Höhr wieder einen
neuen Aufschwung genommen hat, ist infolge ■ seines volks-
tümlichen Charakters die verbreitetste der vier Gruppen. Dank
der entwickelten Rheinschiffahrt wurden die hier entstan-
denen Gefässe, auch Teller, bereits im 16. und 17. Jhrhdrt. in
Massen exportiert, vornehmlich nach den Niederlanden und
England. Es wurde vielfach direkt für den englischen Import
gearbeitet. In allen Bauernstuben am Rhein, bis zur hollän-
dischen Grenze, bediente man sich der graublauen Nassauer
Steinzeugwaren; besonders beliebt waren hier die einen erstaun-
lichen Formenreichtum entwickelnden Salzfässer und Schreib-
zeuge. Man bemerkt hier vielfach ganz frühmittelalterlich
anmutendes Ornament romanisierender Ranken mit Tier- und
Menschenfiguren. Bis in die dreissiger und vierziger Jahre
des 19. Jhrhdrts. wurde der Stil des 18. Jhrhdrts. mit ganz
geringer Abänderung weitergeführt; es folgt dann bis zu dem
erwähnten Aufschwung in neuester Zeit eine Zeit reiner Ge-
brauchsware mit aufgemaltem Blauornament. Es gibt kaum
einen anderen Zweig deutscher kunstgewerblicher Betätigung,
der wie das Steinzeug des Nassauer Kannenbäckerländchens