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Der romaniſche Jnnenbau

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wendigkeit. Wie ſicher hier das Stilgefühl ſchafft, dafür mag ein Bei-
ſpiel genügen. Die italieniſche irche der gleichen Zeit überdacht ihr
Portal mit einem Baldachin, der auf löwengetragenen Säulen ruht,
und da ſich hier das Portal an der Schmalſeite befindet, läßt man die
Cöwen ſenkrecht aus der Wand heraus dem Nahenden entgegentreten.
Man wußte immer, daß ein ſolches ilalieniſches Portal dem der Kirche
von Königslutter bei Braunſchweig zum Vorbild gedient haben mußte,
das die gleichen auf Cöwen ruhenden Säulen zeigt, und wußte doch nichts
Rechtes damit anzufangen, denn hier ſtehen die Löwen zu beiden Seiten
des Portals einander zugewandt, eng an die Wand geſchmiegt. Allein
das iſt von unſerm ſtiliſtiſchen Standpuntte aus ganz folgerichtig. Denn
das Portal befindet ſich hier eben an der Cangſeite, ihr müſſen die Cöwen
ſich einſchmiegen, und gerade die Cogik dieſer Umwandlung des Vorbildes
zeigt, wie die Geſetzmäßigkeit des architektoniſchen Gefüges hier jedes
Bauglied durchdringt.
Für die organiſche Klarheit des ſächſiſchen Jnnenbaues, die dem
Gefüge des llußenbaues entſpricht, kann St. Michael in hildesheim als
klaſſiſches Beiſpiel gelten (bb. 43). Wie bei der altchriſtlichen Baſilika
führen auch hier die Reihen der Stüzen auf die llpſis zu, aber nicht in ſo
haſtiger Cinie; ernſter, ſtrenger macht hier der tektoniſche, rhythmiſch
gliedernde Stützenwechſel von Pfeilern und Säulen den Weg, wie der
Triglyphen⸗ und Metopenfries des doriſchen Tempels ſtrenger iſt als
der fortlaufende Fries des ioniſchen. Das Querſchiff begegnet ihm, aber
Bögen auf ſtarken Pfeilern begrenzen nach allen vier Seiten das Vie-
rungsquadrat. Aus ihm führt eine Treppe in die Krpta (lbb. 44)
mit den Heiligengräbern der Kirche hinab, von ihm nimmt der Chor,
der Raum für die Geiſtlichkeit, ſeinen Anfang. Erhöht und häufig
durch reliefgeſchmückte Schranken vom Schiff getrennt, iſt er nicht mehr
die einfache Niſche der altchriſtlichen irche, ſondern ein weit hinaus-
geſchobener Raum, der für die größere õahl der Geiſtlichen Platz bieten
muß. Alber noch immer hat er dieſelbe Funktion, als rundgeſchloſſene
Niſche den Schall der Worte, die am flltar geſprochen werden, zu ſam-
meln und den Chorraum zugleich kräftig abzuſchließen. So iſt der
Jnnenbau logiſch gefügt wie der lußenbau. luch ſeine Schönheit be-
ruht auf der klaren lbgrenzung der Teile gegeneinander und dem klaren
Ausdruck ihrer Funktionen. Man ſieht, wo außen die Dächer der Seiten-
ſchiffe anſetzen, wo das Querſchiff, wo der Chor beginnt. Daß die Fenſter
erſt in der freien Obermauer des Mittelſchiffes durchgebrochen werden
 
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