sich, sein Grab zu besitzen. Nach Alexanders Tod bleibt beim Zerfall seines Reiches Baktrien
als halb griechisches, das sog. graeko-baktrische Reich bestehen, dem Diodotos um
250 v. Chr. die feste Form gibt. Sehr bald verschiebt sich sein Schwerpunkt nach dem
Süden, der stärker verlockt als die turanischen Steppen. Schon Eukratides dringt gegen
Indien vor, dann um 150 v. Chr. der bedeutende Menander, dem schon große Teile Nord-
indiens bis ins Pendschab gehören und dessen Spuren sich bekanntlich auch in der bud-
dhistischen Literatur finden. Nach seinem Tode läßt sich die Einheit des Reiches, dessen
schmale Erstreckung durch schwieriges Terrain den Zusammenhalt an sich erschwert,
nicht mehr halten. Es hängt wohl damit zusammen, daß ihm die Parther, die inzwischen
die Macht im Westen gewonnen hatten, unter Mithridates I. gegen 139 v. Chr. zwei nörd-
liche, also wohl turanische Provinzen abnehmen können, trotzdem es durch ein Bündnis
mit Demetrius II. seine Grenzen zu sichern gesucht hatte.
Dreizehn Jahre später ergießt sich aus dem Norden eine Barbaren woge über den
Jaxartes, überflutet die Sogdiana und seit 126 v. Chr. wird das griechisch-baktrische Reich
von ihren Fürsten regiert. Es handelt sich um die Yuetschi, die „Indoskythen“, die nach
großen Völkerverschiebungen in Innerasien von den Hiungnu, den Hunnen unserer Ge-
schichte, in ihren Sitzen in Nordwest-China angegriffen und vertrieben worden waren. Sie
werden ins baktrische Reich gedrängt, treten die Herrschaft in Baktrien und Nordindien
an und es ist bezeichnend für die Energie ihres Vordringens, daß ein chinesischer General,
Tschang Kien, der 126 v. Chr. bei ihnen, als den nächsten westlichen Nachbarn der Hunnen,
Hilfe gegen diese suchen soll und gefangen wird, sie 10 Jahre später in der Sogdiana vor-
findet. Und wie die griechisch-baktrischen Fürsten, verlegen auch die indoskythischen den
Schwerpunkt ihres Reiches allmählich nach dem reicheren südlichen Nachbarland Indien.
Möglich, daß es dadurch im Turan geschwächt wurde, jedenfalls war jene Gesandtschaft
eines chinesischen Generals nur das Vorspiel zu dem machtvollen Vordringen Chinas ins
Turan. 97 n. Chr., in der Blütezeit der starken Han-Dynastie, erobert der Feldherr
Pan Tsao das Land bis an das Kaspische Meer. Selbst das Partherreich wird ihm damals
tributpflichtig. Vergebens versuchen in den nächsten Jahrhunderten die unmittelbaren
südlichen Nachbarn, die Sasaniden, das Turan fest in die Hand zu bekommen. Es fällt sehr
auf, daß es ihnen nie gelingt, es zu behaupten, daß sie sich nur gelegentlich dort für kurze
Zeit zu Herren machen können. Unter Khosraul. scheint es endgültig von den Mongolen
erobert und unter nominelle chinesische Botmäßigkeit gekommen zu sein, soweit das bei
einem so fernen Land überhaupt möglich war.
Leider wissen wir nicht genau, welche Rolle die Turkstämme in diesen Kämpfen spielten
oder wie und wann sie in das Land gekommen sind, dessen eigentliche Herren sie bis heute
bleiben sollten. Lange vor der Eroberung durch den Islam, wohl 5 5 5 n. Chr., haben sie sich die
Bewohner des Landes unterworfen, die gewöhnlich unter dem Namen Hephtaliten erscheinen
und wohl mit den „weißen Hunnen“ der oströmischen Quellen identisch sind. Zemarchos,
den Justinian 568 als Gesandten ins Turan schickt, findet das Land in den Händen nomadi-
sierender Turkvölker und den Herrscher selbst weit östlich in einem nicht identifizierbaren
Gebirge. Wenn sich der letzte Sasanide, Jesdegerd III., nach der verlorenen Schlacht bei
Nehawend 642 vor dem Andringen der islamischen Araber nach Merw flüchtet, so sicher
nicht, weil er sich dort im Schoß einer treuen Provinz glaubte, die das Turan nie war,
2 Cohn-Wiener, Turan
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als halb griechisches, das sog. graeko-baktrische Reich bestehen, dem Diodotos um
250 v. Chr. die feste Form gibt. Sehr bald verschiebt sich sein Schwerpunkt nach dem
Süden, der stärker verlockt als die turanischen Steppen. Schon Eukratides dringt gegen
Indien vor, dann um 150 v. Chr. der bedeutende Menander, dem schon große Teile Nord-
indiens bis ins Pendschab gehören und dessen Spuren sich bekanntlich auch in der bud-
dhistischen Literatur finden. Nach seinem Tode läßt sich die Einheit des Reiches, dessen
schmale Erstreckung durch schwieriges Terrain den Zusammenhalt an sich erschwert,
nicht mehr halten. Es hängt wohl damit zusammen, daß ihm die Parther, die inzwischen
die Macht im Westen gewonnen hatten, unter Mithridates I. gegen 139 v. Chr. zwei nörd-
liche, also wohl turanische Provinzen abnehmen können, trotzdem es durch ein Bündnis
mit Demetrius II. seine Grenzen zu sichern gesucht hatte.
Dreizehn Jahre später ergießt sich aus dem Norden eine Barbaren woge über den
Jaxartes, überflutet die Sogdiana und seit 126 v. Chr. wird das griechisch-baktrische Reich
von ihren Fürsten regiert. Es handelt sich um die Yuetschi, die „Indoskythen“, die nach
großen Völkerverschiebungen in Innerasien von den Hiungnu, den Hunnen unserer Ge-
schichte, in ihren Sitzen in Nordwest-China angegriffen und vertrieben worden waren. Sie
werden ins baktrische Reich gedrängt, treten die Herrschaft in Baktrien und Nordindien
an und es ist bezeichnend für die Energie ihres Vordringens, daß ein chinesischer General,
Tschang Kien, der 126 v. Chr. bei ihnen, als den nächsten westlichen Nachbarn der Hunnen,
Hilfe gegen diese suchen soll und gefangen wird, sie 10 Jahre später in der Sogdiana vor-
findet. Und wie die griechisch-baktrischen Fürsten, verlegen auch die indoskythischen den
Schwerpunkt ihres Reiches allmählich nach dem reicheren südlichen Nachbarland Indien.
Möglich, daß es dadurch im Turan geschwächt wurde, jedenfalls war jene Gesandtschaft
eines chinesischen Generals nur das Vorspiel zu dem machtvollen Vordringen Chinas ins
Turan. 97 n. Chr., in der Blütezeit der starken Han-Dynastie, erobert der Feldherr
Pan Tsao das Land bis an das Kaspische Meer. Selbst das Partherreich wird ihm damals
tributpflichtig. Vergebens versuchen in den nächsten Jahrhunderten die unmittelbaren
südlichen Nachbarn, die Sasaniden, das Turan fest in die Hand zu bekommen. Es fällt sehr
auf, daß es ihnen nie gelingt, es zu behaupten, daß sie sich nur gelegentlich dort für kurze
Zeit zu Herren machen können. Unter Khosraul. scheint es endgültig von den Mongolen
erobert und unter nominelle chinesische Botmäßigkeit gekommen zu sein, soweit das bei
einem so fernen Land überhaupt möglich war.
Leider wissen wir nicht genau, welche Rolle die Turkstämme in diesen Kämpfen spielten
oder wie und wann sie in das Land gekommen sind, dessen eigentliche Herren sie bis heute
bleiben sollten. Lange vor der Eroberung durch den Islam, wohl 5 5 5 n. Chr., haben sie sich die
Bewohner des Landes unterworfen, die gewöhnlich unter dem Namen Hephtaliten erscheinen
und wohl mit den „weißen Hunnen“ der oströmischen Quellen identisch sind. Zemarchos,
den Justinian 568 als Gesandten ins Turan schickt, findet das Land in den Händen nomadi-
sierender Turkvölker und den Herrscher selbst weit östlich in einem nicht identifizierbaren
Gebirge. Wenn sich der letzte Sasanide, Jesdegerd III., nach der verlorenen Schlacht bei
Nehawend 642 vor dem Andringen der islamischen Araber nach Merw flüchtet, so sicher
nicht, weil er sich dort im Schoß einer treuen Provinz glaubte, die das Turan nie war,
2 Cohn-Wiener, Turan
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