Künstler vor, der vom Papst (wahrscheinlich Bonifacios VIII*) berufen, dem-
selben knieend die für die Sacristei der Peterskirche bestimmten Tafeln zur
Ansicht vorlegt. Die Bewunderung, die der Papst zu erkennen gibt, zeugt
für die bereits erlangte künstlerische Bedeutung Giottos, während die Um-
gebung S. Heiligkeit sich in ehrfurchtsvoller Schweigsamkeit zurückhält.
Es ist eine schöne Geschichte, die- uns Vasari vom Papste Clemens V.
erzählt, dass er bei der Verlegung seiner Residenz nach Aoignon im Jahre
1305 Giotto mit sich nahm und durch ihn die neue Kunst in Frankreich ein-
führte. Schade, dass sie nicht wahr ist**). Cornelius, dem Vasari folgend,
schildert im Seitenbild der
Lünette (Tafel 8)
rechts die Abreise des Papstes aus Rom, wie Giotto, die Zeichenmappe im
Arm, an seiner Seite reitet, während das Volk auf den Knien liegend den
Segen des scheidenden Heiligen Vaters erfleht. Fehlt auch dem Gegenstände
der Darstellung die historische Beglaubigung, sie bringt uns doch die histo-
risch-beglaubigte Thatsache zur Anschauung, dass die Kunst von der höchsten
geistlichen Gewalt zu Giottos Zeit in hohen Ehren gehalten wurde.
Sie ward es auch von der höchsten weltlichen Gewalt! Im Jahre 1326
*) Wenn Vasari Benedict IX. nennt, so meint er wahrscheinlich Benedict XL, der von 1303 bis
1305 auf dem päpstlichen Stuhle sass, um welche Zeit aber Giotto mit einem grossen Frescowerke in
der Capelle der Arena zu Padua beschäftigt war. Uebrigens war es der Cardinal Gaetano Jacopo
Stefaneschi, der ihn 1298 — vielleicht im Auftrag von Bonifacius —■ berief, der seit 1294 regierte.
**) 1303 bis 1306 war Giotto, wie erwähnt, in der Capelle der Arena zu Padua beschäftigt. Die
vorhandenen Ueberreste von Malereien im päpstlichen Schloss zu Avignon haben das Gepräge der
sienesischen Malerschule.
oder 1327 vom kunstliebenden König Robert nach Neapel berufen, malte er
(nach Vasaris Bericht u. A.) „in der Capelle des Castello dell’Uovo Vieles, was
dem König sehr wohl gefiel, der ihn sehr liebte und oft, wenn Giotto malte,
sich mit ihm unterhielt, weil es ihm Freude machte, jenen arbeiten zu sehen
und seiner Rede zuzuhören.“ So sehen wir ihn mit seinen Begleitern bei
Giotto auf dem Bilde zur Linken.
Der Genius Italiens hatte Italien aus dem Schlummer geweckt; heitere
und ernste Melodien durchklangen von Neuem das Land; aus der Natur und
dem wirklichen Leben hatte Giotto neue Kunstformen geschöpft; aber den
religiösen Gehalt derselben, wie er ihm überliefert worden, treu bewahrt:
Glaube, Liebe und Hoffnung im innigsten Verein, bilden auch bei ihm den
Gehalt und Grundton seiner Kunstschöpfungen.
Seine künstlerische Laufbahn begann er unter den Augen des Meisters
in der Kirche des heil. Franz zu Assisi, in welcher sich auch bis heute noch
hochausgezeichnete Malereien von ihm erhalten haben. Zahllos sind die
Werke, die er im nördlichen und südlichen, wie in Mittel-Italien ausgeführt;
er war Maler, Bildhauer und Baumeister und hat in letztgenannter Eigen-
schaft den schönen Glockenthurm am Dom von Florenz erbaut. Gross ist
die Zahl seiner Schüler und derer die in seiner Weise während des 14.
Jahrhunderts Werke der Malerei ausgeführt haben. Er starb im Jahre
1336*).
*) Ein möglichst vollständiges Verzeichniss seiner Malereien, auch der ihm zugeschriebenen, mit
Angabe über deren Schicksal findet man in E. Försters Geschichte der ital. Kunst, Bd. I. S. 221 ff.
selben knieend die für die Sacristei der Peterskirche bestimmten Tafeln zur
Ansicht vorlegt. Die Bewunderung, die der Papst zu erkennen gibt, zeugt
für die bereits erlangte künstlerische Bedeutung Giottos, während die Um-
gebung S. Heiligkeit sich in ehrfurchtsvoller Schweigsamkeit zurückhält.
Es ist eine schöne Geschichte, die- uns Vasari vom Papste Clemens V.
erzählt, dass er bei der Verlegung seiner Residenz nach Aoignon im Jahre
1305 Giotto mit sich nahm und durch ihn die neue Kunst in Frankreich ein-
führte. Schade, dass sie nicht wahr ist**). Cornelius, dem Vasari folgend,
schildert im Seitenbild der
Lünette (Tafel 8)
rechts die Abreise des Papstes aus Rom, wie Giotto, die Zeichenmappe im
Arm, an seiner Seite reitet, während das Volk auf den Knien liegend den
Segen des scheidenden Heiligen Vaters erfleht. Fehlt auch dem Gegenstände
der Darstellung die historische Beglaubigung, sie bringt uns doch die histo-
risch-beglaubigte Thatsache zur Anschauung, dass die Kunst von der höchsten
geistlichen Gewalt zu Giottos Zeit in hohen Ehren gehalten wurde.
Sie ward es auch von der höchsten weltlichen Gewalt! Im Jahre 1326
*) Wenn Vasari Benedict IX. nennt, so meint er wahrscheinlich Benedict XL, der von 1303 bis
1305 auf dem päpstlichen Stuhle sass, um welche Zeit aber Giotto mit einem grossen Frescowerke in
der Capelle der Arena zu Padua beschäftigt war. Uebrigens war es der Cardinal Gaetano Jacopo
Stefaneschi, der ihn 1298 — vielleicht im Auftrag von Bonifacius —■ berief, der seit 1294 regierte.
**) 1303 bis 1306 war Giotto, wie erwähnt, in der Capelle der Arena zu Padua beschäftigt. Die
vorhandenen Ueberreste von Malereien im päpstlichen Schloss zu Avignon haben das Gepräge der
sienesischen Malerschule.
oder 1327 vom kunstliebenden König Robert nach Neapel berufen, malte er
(nach Vasaris Bericht u. A.) „in der Capelle des Castello dell’Uovo Vieles, was
dem König sehr wohl gefiel, der ihn sehr liebte und oft, wenn Giotto malte,
sich mit ihm unterhielt, weil es ihm Freude machte, jenen arbeiten zu sehen
und seiner Rede zuzuhören.“ So sehen wir ihn mit seinen Begleitern bei
Giotto auf dem Bilde zur Linken.
Der Genius Italiens hatte Italien aus dem Schlummer geweckt; heitere
und ernste Melodien durchklangen von Neuem das Land; aus der Natur und
dem wirklichen Leben hatte Giotto neue Kunstformen geschöpft; aber den
religiösen Gehalt derselben, wie er ihm überliefert worden, treu bewahrt:
Glaube, Liebe und Hoffnung im innigsten Verein, bilden auch bei ihm den
Gehalt und Grundton seiner Kunstschöpfungen.
Seine künstlerische Laufbahn begann er unter den Augen des Meisters
in der Kirche des heil. Franz zu Assisi, in welcher sich auch bis heute noch
hochausgezeichnete Malereien von ihm erhalten haben. Zahllos sind die
Werke, die er im nördlichen und südlichen, wie in Mittel-Italien ausgeführt;
er war Maler, Bildhauer und Baumeister und hat in letztgenannter Eigen-
schaft den schönen Glockenthurm am Dom von Florenz erbaut. Gross ist
die Zahl seiner Schüler und derer die in seiner Weise während des 14.
Jahrhunderts Werke der Malerei ausgeführt haben. Er starb im Jahre
1336*).
*) Ein möglichst vollständiges Verzeichniss seiner Malereien, auch der ihm zugeschriebenen, mit
Angabe über deren Schicksal findet man in E. Försters Geschichte der ital. Kunst, Bd. I. S. 221 ff.