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ZWEITES KAPITEL.

Hans Memling.

In unmittelbarer Nähe der Liebfrauenkirche in Brügge
liegt eine schmale mit Kieseln gepflasterte Gasse. Der
Wanderer, welcher dieselbe beschreitet, hört keinen Schall
als jenen der eigenen Fusstritte, und selbst diese tönen nur
dumpf, da Moos und Gras die von Zeit und Regen glatt
gewaschenen Steine überwachsen hat. Ein Pförtchen im
grossen Thorbogen öffnet sich, sobald man die Klinke drückt,
und führt in einen Hofraum, an welchen sich ein kleiner mit
alten Linden bepflanzter Raum anschliesst. Unter dem
Schatten dieser ehrwürdigen Bäume ruht vielleicht ein
armer Kranker, die matten, schlottrigen Glieder in einen
grauen Rock gehüllt, die baumwollene Zipfelmütze tief bis
über die eingefallenen Augen herab gezogen. Wendet man
sich vom Hofe in der anderen Richtung, so trifft ein ge-
waltiger Steinbau das Auge. Nur mit einer Kirche lässt
er sich vergleichen. Plumpe alte Pfeiler tragen Bogen,
welche das Hauptschiff von den Nebenschiffen scheiden.
Erscheint der Bau in seinen äusseren Formen der Kirche
verwandt, so ist auch seine Bestimmung einer solchen nicht
unwürdig. Unter den Bogen, auf dem Boden der kirchen-
artigen Schiffe erheben sich Reihen von Betten, in welchen
Kranke liegen, von still und geräuschlos wandelnden Nonnen
sorgsam und liebevoll gepflegt. Ein offener Heerd an jedem
Ende der Halle mit hell flackerndem Feuer muthet den
 
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