Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Compte rendu de la Commission Impériale Archéologique: pour l'année ..: Pour l'année 1863 — 1864

DOI Heft:
Suppléments
DOI Artikel:
Stephani, Ludolf: Erklärung der im Jahre 1862 bei Kertsch gefundenen Gegenstände
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12431#0231
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
205

jener. Er bedurfte also einer dritten Person und wühlte dazu, obgleich Eumaeos bei Homer
der dargestellten Scene nicht beiwohnt, doch diesen Hirten, weil derselbe seinem Herrn ähnliche
Treue bewiesen hatte, wie Eurykleia.

Doch Homer gedenkt noch eines dritten lebenden Wesens, welches dem Odysseus mit
gleicher Treue anhing, wie die Amme und der Hirt, des Hundes Argos. Um also Alles, was
ausser der Gattin und dem Sohne an der Rückkehr des viel geprüften Heros das höchste In-
teresse hatte, in seiner Darstellung dieses Moments zu vereinen, hat der Künstler keinen Anstand
genommen, auch diesen Hund in sein Bild aufzunehmen, obgleich derselbe nach der Erzählung
lloiner's schon vor dem dargestellten Momente gestorben war'.

Mit derselben Freiheit ist der Künstler bei der Composition der anderen Scene verfahren.
Bei Homer liegt Pénélope auf dem Ruhebett ausgestreckt und schläft, als Eurykleia zu ihr tritt
und ihr die frohe Botschaft von der Rückkehr des Odysseus bringt. Dieses Motiv konnte der
Künstler nicht brauchen. Der Dichter kann uns sagen, dass eine Frau schläft, und doch zugleich
schildern, wie sie von der innigsten Liebe zu ihrem Gatten, von dem tiefsten Kummer wegen
seiner langen Abwesenheit durchdrungen ist. Ein Bildhauer oder Maler hingegen vermag dies
nicht. Er muss diejenigen trauernd darstellen, von denen er bei'dem Beschauel- die Vorstellung
erwecken will, dass sie von diesem Gefühl ergriffen sind. Darum durfte der Verfertiger der in
Rede siebenden Terracotta-Tafeln die Pénélope in jenem Moment nicht, wie Homer erzählt, auf
einem Ruhebett liegend und schlafend darstellen, sondern musste sie auf einem Sluhle sitzend
und in Trauer versunken bilden.

Ueberdies wünschte er, die Pénélope, wie Odysseus, in die Mitte einer Gruppe zu bringen,
theils weil ihre Person so mehr hervorgehoben wurde, theils um die nöthige Symmetrie mit dem
anderen Bilde zu gewinnen. Darum bedurfte er noch einer oder zweier Personen, welche in
diesem Bilde der in das Gemach eintretenden Eurykleia entsprächen, und wählte dazu zwei jün-
gere Dienerinnen, obgleich diese nach der Schilderung lloiner's nicht gegenwärtig sind.

Eine solche Benutzung der Dichter ist allerdings von jener mechanischen Nachbildung we-
sentlich verschieden, welche so vielen Kunsterklärungen wenn auch nur als undeutlich bewusste
Voraussetzung zu Grunde liegt.

i Natürlich «ilt das Gesagte auch von der Com-
position N° 49, während die Verfertiger der beiden
Pasten N°50 und 51. wenn sie wirklich die in Rede

stehende Scene darstellen wollten, die Homer'ische
Darstellung ganz nnberücksichtigl gelassen haben.
 
Annotationen