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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Kaupert, Johann A. [Hrsg.]
Karten von Attika (Heft IX): Erläuternder Text — Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.780#0022
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von einigen Strichen sandigen Ufersaumes, ist das ganze übrige Gebiet bis zur Küste mit einem unregel-
mäfsigen Gedränge meist weicher, jungtertiärer Hügelformen erfüllt, den allmähligen Abstufungen jener
hintergrundbildenden Reihe der Mavrovunia. Bis auf den Asopos und den östlicheren Bach von Malakasa,
welche diese Kette durchbrechen, bildet sie zugleich die Wasserscheide für eine Anzahl nördlich abfliefsender
Rinnsale. Alle diese Flufsläufe haben sich tief in die Mergel und Conglomerate des Bodens eingegraben
und stellen sich dem Verkehr zwischen Osten und Westen als ebenso viele Hindernisse entgegen, während
es in umgekehrter Richtung an Pafswegen nicht fehlt, die zu den einzelnen Abschnitten den Eingang ver-
mitteln. Im Vergleich zu den sonst analogen Terrainverhältnissen der Diakria fehlt hier die Längs- und Höhen-
strafse; als Ersatz dafür kann man die im Osten zwar eingeschränkte, doch nirgends unterbrochene Weg-
barkeit des Strandes betrachten.

Andrerseits entspricht es auch in der Oropia der relativen Jugendlichkeit ihrer geologischen For-
mationen, wenn die ganze Landschaft von den quellenreichen Thälern und Mulden bis zu den Höhen der
roththonigen Berge der Cultur zugänglich ist, und wenn überall, wo die heutige, spärliche Besiedelung (nach
der letzten Zählung i. G. 1415 Einwohner; noch nicht 16 Menschen auf jeden der ca. 90 qkm) sie noch nicht
wieder hintrug, reichlicher Baumwuchs Wurzeln geschlagen hat; (daher die »schwarzen Berge«). Von dem
vorherrschenden frischen Grün der Aleppokiefer zeichnen sich in mannigfachen Schattirungen das matte Grau
der Olive, die wie der Birnbaum auch wild gedeiht, die markige Knoppereiche, hier und da die dunkle
Cypresse ab. Der Boden trägt heute Korn, Wein und Oel in gleichmäfsiger Güte. Auf die Production des
Alterthums fällt zufällig ein interessantes Streiflicht aus der eleusinischen Urkunde CIA. II, 834b(=IV, 2 p. 203
Col. II, Z. 60 ff.), nach welcher allein das heilige Land des Amphiaraos den eleusinischen Göttinnen i. J. 329/8
einen Prozentsatz an Getreide steuerte, der sich auf einen Jahresertrag von 12000 Scheffeln Gerste und
6900 Scheffeln Weizen (an letzterem durchschnittlich das Doppelte jeder attischen Phyle) berechnen läfst.
(Vgl. Foucart, Bull. hell. VIII S. 202 ff.). Erst die Vereinigung solcher Vorzüge pflegte eine Landschaft im
Sinne der Alten reizvoll zu gestalten; die milden vegetationsreichen Höhen, die rauschenden Quellen und
lieblichen Gefilde der Oropia wirkten eben durch den Gegensatz zu der gewohnten, trockenen Felsenplastik
des übrigen Griechenland, während wir die modernen Reisenden unter den vielgerühmten Schönheiten dieser
Gegend übereinstimmend gerade die überall hineinschauenden Fernen aufzählen sehen: die reinen Berglinien
des Pentelikon wie des Parnes, den blauen Golf, den formenreichen Aufbau von Euböa mit der krönenden
Pyramide des Delph (Dirphys), oder im Hintergrunde die kaum minder auffallende Berggestalt des ost-
böotischen Messapios (Ktypäs).

Durch die Pforte, welche sich der Asopos von Westen her geöffnet hat, ist auch ein Theil des alt-
hellenischen Graerstammes in das meer- und bergumgürtete Ländchen eingezogen, um hier die dauerndsten
Spuren seines Volksthumes zu hinterlassen. Die folgenden politischen Zustände der Oropia wurden fast aus-
schliesslich durch die wechselnde Präponderanz der drei mächtigeren Nachbarstaaten bestimmt, zwischen
welche ein verhängnifsvolles Geschick sie eingeschaltet hatte: Euboeas, Boeotiens und Attikas. Namentlich
begreift sich für die älteren Zeiten auch die tiefgehende Beeinflussung der so ganz zum Meere hingeneigten
Landschaft durch eine nur 40 Stadien (kaum eine Meile) gegenüberliegende Stadt wie Eretria.*)

Von der anderen Seite lehrt schon ein erster Blick auf den Gesammtplan Attikas, wie werthvoll der
oropische District dem erstarkten Reich der Athener nicht nur zur Abrundung nach Norden und als Stütz-
punkt gegen Böotien im Nordwesten, sondern vor Allem als schier unentbehrliches Zwischenglied für seine
euböischen Verbindungen sein musste. Als einen der härtesten Schläge während des peloponnesischen
Krieges betrachtete man die Besetzung von Dekeleia besonders deshalb, weil sie dem übervölkerten Stadt-
bezirk die directe Lebensmittelzufuhr aus Euboea über Oropos abschnitt (Thukyd. VII, 28,1), — denn auch
den östlicheren Katiphoripafs beherrschten die Spartaner natürlich, — und nichts ist bezeichnender, als dafs
die Niederlage zur See zwischen Oropos und Eretria, da sie ihren Lebensnerv gänzlich zu durchschneiden
drohte, nach dem Berichte des Thukydides von den Athenern schwerer empfunden wurde, als die Katastrophe,
in Sizilien. (Thukyd. VIII, 195: Evßoia yttQ atholg anoxsxXrjj.isvrig rijg 'AcTixrfi nüvxa r\v und 96: Evßotav
*£ ffi nXsuo rj lijs 'Aizixrjg mcfEXotvio.)

1 *) Zur Geschichte der Oropia vgl. namentlich die wohlerwogene Uebersicht bei Preller, Ber. d. sächs. Gesch. 1852,

S. 170 ff, und die einschneidende Untersuchung von Wilamowitz, Hermes XXI (1886), S. 91 ff. »Oropos und die Graer«. Letzte
Zusammenstellungen bei Dürrbach "De Oropo et Amphiarai sacro« Paris 1890.

Karten vou Attika. IX. Heft. 3
 
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