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Chronik für vervielfältigende Kunst — 1.1888

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Lützow, Carl von: Separatbeilage: Holbein's Madonna des Bürgermeisters Meyer
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https://doi.org/10.11588/diglit.3767#0022
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ebcnso belli mm t und in ebenso krästiger Farbe wie die im Vor-
dergrunde slehende Figur. Er beslrebt (ich, die Aussenseite der
Dinge zu schildern, wie er Tie Seht, aber er macht nicht den An-
spruch, die plastische Erscheinung, den Abstand der Dinge von
einander genau sühlbar zu machen."
Treten wir mit dieser Kenntniss des Holbeinischen Stils
vor die Dresdener Madonna, so macht sie auf uns, ungeachtet der
darin enthaltenen Holbeinischen Portratköpfe und Motive, einen
sremdartigen Eindruck. Der Urheber dieses Bildes hat nach
Vorzügen gestrebt, um die (ich Holbein nicht bemühte, und da-
gegen das vernachlässigt, worauf dieser Werth legte. Den Schmuck
der weiblichen Figuren, den Teppich, die auf dem Darmstädter
Bilde so vorzüglich ausgesührt sind, hat er einem Gehilfen über-
lassen und nicht einmal dessen grobe Missveisländnisse verhütet.
Dagegen ist das Räumliche und Plastische, die räumlich mögliche
und bequeme Anordnung des Ganzen und dann auch die orga-
nische Totalität der einzelnen Gestalten ein Gegenstand seiner
Sorgfalt. Er begnügt sich auch nicht, durch Localtone zu model-
liren, sondern rundet seine Gestalten durch eine sehr ausgesührte
Schatlirung ab. Besonders die Verschiedenheit des knieenden
Knaben auf beiden Bildern ist sehr charakteristisch. Auch in Be-
ziehung aus die Harmonie der Farben unterscheiden sich beide
Meister; Holbein geht auch hier vom Einzelnen aus, bringt die
Töne nur mit den benachbarten in Einklang. Der Urbeber des
Dresdener Bildes erstiebt auch hier unmittelbar eine Einheit
des Ganzen, die er durch kräftigen schwarzgrünen Ton im Ge-
wände der Madonna und durch das stärkere Roth ihrer Schärpe
erreicht." Es handelt sich mit einem Wort bei der Verschieden-
heit der beiden Exemplare keineswegs nur um Äusserlichkeiten,
sondern „um eine andere Schule, eine andere Aufsassung
der Natur und der Kunst".
Übrigens ist es der ganzen Art von Holbein's Malerei
nur vollkommen entsprechend, dass man auch ihre Äusser-
lichkeiten, alle seinen Züge der Atelierpraxis genau unter-
sucht hat. Dazu bot ebenfalls die Holbein-Ausstellung den
ersten Impuls und die ergiebigsle Gelegenheit. Ein vielcitirter
Aussalz von Alb. v. Zahn (vgl. Woltmann, Holbein, 2. Auss.
I, 300 fs.) sasst die Resultate dieser Unterteilungen am bundig-
sten zusammen. „Sämmtliche echte Bilder Holbein's zeigen",
nach seiner Auseinandersetzung, welche den Aufsatz von Schnaase
ergänzt, ,,eine haarscharfe Begrenzung in den Umrissen und ein
völlig plastisches Relief der Formen." ,,Fest, sicher und —
wie mit einem Zuge von feilem Standpunkt aus gesehen, slehen
Vorder- und Hintergrund aus seinen Bildern nebeneinander und
er vermeidet es ausdiÜLklich, die Wirkung der Luftperspective
an einer verschleierten Behandlung des Hintergrundes erkennen
zu lassen." — „Nirgends wird bei ihm der Schatten zu verhüllen-
der Dunkelheit. Wie auf dem Grunde des klarsten Wassers ist
auch das feinste Detail in den beschatteten Theilen erkennbar."
— „Die Gewänder, Schmucksachen und anderes Beiwerk bis
auf die Handsehristen der Briese und Zettel werden mit wunder-
barer Btstimmtheit ausgesührt; angedeutete oder skizzirte Neben-
sachen kommen nicht vor." — Als das Bindemittel, mit welchem
Holbein seine äussersl sein geriebenen Farben auf die weiss
grundirte und sorgsältig geglättete Holztafel austrug, betrachtet
v. Zahn — im Gegensatz zu Anderen, welche, meines Erachtens
mit Recht, reines Öl annehmen, — eine „mehr harzige als sett-

oligeSubstanz, welche die ssüssige Vcrschmelzung wie das bestimm-
teste, unvermittelte Nebeneinander möglich machte; dabei legt
Holbein die verschiedenen Farben in sehr verschiedener Stärke
auf; Fleischtone und Schwarz sind, obwohl vollkommen deckend,
überaus dünn; grüne und blaue Farben, Weiss und Anderes slets
viel slärker aufgetragen, und da Holbein die in einem Localton
modellirten Flächen immer in haarscharscn Umrissen aneinander-
slossen lässt, so würden die echten Bilder m einem galvano-
plast;schen Niederschlag der Oberssäche die Umrisszeichnung
deutlich erkennen lassen. — „Das Gold untermalte Holbein mit
einem sehr flüssigen Mordant (Vergoldergrund) von weissgelb-
licher Farbe, vergoldete die so ausgetragene Zeichnung mit
feinslem Blattgold und modellirte wieder auf diesen ganz schaif
abgegrenzten Goldssächen, Strichen und Punkten die Schatten
mit durchiiehtigem Braun. Die sehwarzen Stickereien aber zeich-
nete er ohne Rücksicht auf Schalten und Lichtpartien mit ab-
sohlt dunklem ssüssigem Schwarz."
Von diesen ausgesprochenen Eigenthümlichkeiten der
Holbein'schen Technik, deren inniger Zusammenhang mit den
künstlenschen Ab hebten des Meislers wohl Jedem einleuch
tet, lässt sich nun auch ni cht eine einzige in dem Dresdener
Exemplar der Madonna nachweisen. Abgesehen von dem Binle-
mittel zeigt die Farbe hier nicht jenen emailartigen Schmelz, jene
quellwaiserähnlichc Durchsichtigkeit der echten Bilder Holbein's;
die einzelnen Flächen sind nicht so mosaikartig von einander
getrennt, sondern gehen allmälig in einander über, und an ver-
schiedenen Stellen erkennt man den Pinselslrich in einer
Deutlichkeit, wie niemals bei Werken von Holbein's Hand; am
schlagendsten endlich treten diele technischen Verschiedenheiten
in der Malerei des Goldes hervor, das hier dünn aufgetragenes
Muschelgold von mattem Glanz ist, und in der Ausführung der
dunklen Stickereien, die mit einer blassen, mehr bräunlichen
Farbe ssuchtig hingezeichnet lind. —- Ganz ebenso bedeutend ist
der Abstand in der Stimmung der Töne und in der Behand-
lung der Formen. Letztere zeigen beim Dresdener Exem-
plar durchgängig an Stelle der haarscharsen Holbein'schen Con-
toure, zum Beispiel in den Lippenspalten, an Fingern, Zehen,
Gewandfalten u. dgl. eine breitere, unbestimmtere Formengebung,
ein Hinüberspielen des Lichtes in die umgebenden Schatten-
paitien. Die Stimmung der Farben wird sehr wesentlich alte-
rirt durch das Auftreten grünlicher Halbtone im Fleisch und
durch den grellen Gegensatz kreidig weisser oder kupferroth
gesärbter Lichtpartien und schwerer, trüber Schattenmassen, wie
sie Holbein selbst im tiefiten Schwarz nicht kennt. Die Gesammt-
wirkung ist in Folge dessen eine grelle, kalte, unharmonische
und läsat in einzelnen Theilen, wie zum Beispiel in dem ganz
tief schwärzlichgrün gehaltenen Kleide der Madonna und in der
bunten, schweren Farbengebung des Teppichs auch nicht im
Entferntesten die von Holbein beabiiebtigte Wirkung noch er-
kennen Die Behandlung des Teppichs und anderer solcher
Details mussen zugleich auch demjenigen, der für die feineren
Unterschiede der Technik, Zeichnung und Modellirung sonst kein
Auge hat, den Abstand klar machen, der zwischen Holhein und
se meni Nachahmer nicht nur in der Praxis der Malerei, son-
dern vor Allem in dem Grade der Begabung besleht. Auf
dem Darmstädter Bdde liegt der Teppich in der sansten, echt
orientalischen Farbenscala seines Grünblau, Gelb und Roth
 
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