KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
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kürzung auf die zentralen Themen der Kindheit und Pas-
sion Christi zur Darstellung brachten62. Wir wissen
nichts über Nürnberger Malerei des frühen 14. Jahrhun-
derts, doch für die Wahl einer reichsstädtischen Werk-
statt könnten nicht zuletzt die engen Bindungen der
Engelthaler Klosterfrauen zum Nürnberger Patriziat
gesprochen haben. Außerdem finden wir ein ähnliches
Anspruchsniveau in einer Kreuzigungsscheibe mit zwei
weiblichen Stifterfiguren von etwa 1330/40 aus dem
Nürnberger »Haus zum Goldenen Schild«, die sich heute
im Germanischen Nationalmuseum befindet (Textabb.
8)63. Als Fensterstiftung für die Privatkapelle im Haus
der Nürnberger Patrizierfamilie Grundherr steht das
anmutige Glasgemälde aus heutiger Sicht ebenso verein-
zelt in der Nürnberger Kunst des 14. Jahrhunderts wie
das kleine Reliquienaltärchen mit Szenen aus der Passion
Christi aus der Zeit um 1340/50, das aufgrund seiner
geringen Größe ebenfalls für den persönlicheren Bereich
privater Andacht geschaffen worden sein dürfte
(Textabb. 9E)64.
Künstlerisch anspruchsvoller als die Reste in Ottensoos
und Eschenbach erscheint das Kopffragment des Hl. Veit
in Altenthann (Abb. 2). In Typenschatz und Strichfüh-
rung offenbart es bereits eine größere Nähe zu den frühe-
sten Erzeugnissen mutmaßlich Nürnberger Tafelmalerei,
Textabb. 13, 14. Teile einer Altartafel. Ehemals Weißenburg, Pfarrkirche.
München, BNM, Inv. Nr. L 31/282. Um 1330.
etwa den Resten des Passionsretabels in Kloster Heilsbronn, um 1340/50, das allerdings im 19. Jahrhundert so stark
überarbeitet wurde, daß sich weiterführende Detailvergleiche verbieten (Textabb. n)65. Da die Altenthanner Pfarre
mit dem Burgstall Thann seit 1288 den Nürnberger Burggrafen gehörte, die ab 1333 auch die Schutzvogtei über ihr
Hauskloster Heilsbronn innehatten, ist nicht einmal auszuschließen, daß wir es in beiden Fällen mit ein und demsel-
ben Stifterkreis zu tun haben. Die Zuschreibung der Heilsbronner Passionstafeln an einen Nürnberger Maler stützt
sich freilich vor allem auf die räumliche Nähe zur Reichsstadt bzw. das burggräfliche Engagement und ist demzufolge
mehr Konvention als begründete Überzeugung. Aus Sicht des Altenthanner Fragments kann sich die Lokalisierung
aber auch auf den Vergleich mit den Resten der Fensterstiftung Kaiser Karls IV. für die Nürnberger Frauenkirche von
1356 stützen, die sehr wahrscheinlich von den gleichen lokalen Kräften ausgeführt wurde wie die Westrose der
Lorenzkirche66. Unter den wenigen noch lesbaren Figuren besitzt der Hl. Ritter (Mauritius?) in der Mandorla die
gleiche modische Haarfrisur mit breit aneinander gereihten Stirnlöckchen und der einseitig ausladenden Welle67. Mit
den altertümlichen Langpaßrahmungen zeigt diese Werkstatt ein für die Zeit allerdings recht traditionelles Bild, das
sich allenfalls in der Proportionierung der Figuren mit dem Chorachsenfenster der Pfarrkirche Segringen (Dinkels-
bühl) verbinden läßt, d.h. vermutlich ältere Wurzeln in der schwäbischen Glasmalerei besitzt (vgl. S. 511!.).
Mit dem Chorachsenfenster der Pfarr- und Deutschordenskirche St. Jakob in Rothenburg o.T., dem ältesten in situ
63 Vgl. zuletzt Rainer Kahsnitz, in: Kat. Ausst. Nürnberg 1986, S. 122.
64 Nürnberg, GNM, Inv. Nr. KG 1; vgl. Zimmermann, 1931, S. 23b, Taf.
30-32; Strieder, 1993, S. 12-14.
65 Zimmermann, 1931, S. 23, Taf. 24-29; Strieder, 1993, S. 12-17;
Suckale, 1993, S. 129. Die Passionstafel verrät besonders in der Kreuzi-
gung das Vorbild der italienischen (Veroneser ?) Malerei, die vermutlich
durch die Kreuzigung eines bayerisch-österreichischen Malers (Zürich,
Sammlung Bührle) vermittelt worden war (Suckale, 1993, Abb. S. 127);
zu weiteren Motivwiederholungen in bayerischen und fränkischen Male-
reien nach 1400 in Freising, Altmühldorf und Nürnberg vgl. Elisabeth
Roth, Der volkreiche Kalvarienberg in Literatur und Kunst, Berlin
2i9Ö7, S. 65, Anm. 173.
66 Zur Werkstattfrage Frenzel, Kaiserliche Fensterstiftungen, 1962, S. 9!.
67 Am besten sichtbar in der Umzeichnung bei Essenwein, 1898, Taf.
VI; vgl. Frenzel, Kaiserliche Fensterstiftungen, 1962, Abb. 8.
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kürzung auf die zentralen Themen der Kindheit und Pas-
sion Christi zur Darstellung brachten62. Wir wissen
nichts über Nürnberger Malerei des frühen 14. Jahrhun-
derts, doch für die Wahl einer reichsstädtischen Werk-
statt könnten nicht zuletzt die engen Bindungen der
Engelthaler Klosterfrauen zum Nürnberger Patriziat
gesprochen haben. Außerdem finden wir ein ähnliches
Anspruchsniveau in einer Kreuzigungsscheibe mit zwei
weiblichen Stifterfiguren von etwa 1330/40 aus dem
Nürnberger »Haus zum Goldenen Schild«, die sich heute
im Germanischen Nationalmuseum befindet (Textabb.
8)63. Als Fensterstiftung für die Privatkapelle im Haus
der Nürnberger Patrizierfamilie Grundherr steht das
anmutige Glasgemälde aus heutiger Sicht ebenso verein-
zelt in der Nürnberger Kunst des 14. Jahrhunderts wie
das kleine Reliquienaltärchen mit Szenen aus der Passion
Christi aus der Zeit um 1340/50, das aufgrund seiner
geringen Größe ebenfalls für den persönlicheren Bereich
privater Andacht geschaffen worden sein dürfte
(Textabb. 9E)64.
Künstlerisch anspruchsvoller als die Reste in Ottensoos
und Eschenbach erscheint das Kopffragment des Hl. Veit
in Altenthann (Abb. 2). In Typenschatz und Strichfüh-
rung offenbart es bereits eine größere Nähe zu den frühe-
sten Erzeugnissen mutmaßlich Nürnberger Tafelmalerei,
Textabb. 13, 14. Teile einer Altartafel. Ehemals Weißenburg, Pfarrkirche.
München, BNM, Inv. Nr. L 31/282. Um 1330.
etwa den Resten des Passionsretabels in Kloster Heilsbronn, um 1340/50, das allerdings im 19. Jahrhundert so stark
überarbeitet wurde, daß sich weiterführende Detailvergleiche verbieten (Textabb. n)65. Da die Altenthanner Pfarre
mit dem Burgstall Thann seit 1288 den Nürnberger Burggrafen gehörte, die ab 1333 auch die Schutzvogtei über ihr
Hauskloster Heilsbronn innehatten, ist nicht einmal auszuschließen, daß wir es in beiden Fällen mit ein und demsel-
ben Stifterkreis zu tun haben. Die Zuschreibung der Heilsbronner Passionstafeln an einen Nürnberger Maler stützt
sich freilich vor allem auf die räumliche Nähe zur Reichsstadt bzw. das burggräfliche Engagement und ist demzufolge
mehr Konvention als begründete Überzeugung. Aus Sicht des Altenthanner Fragments kann sich die Lokalisierung
aber auch auf den Vergleich mit den Resten der Fensterstiftung Kaiser Karls IV. für die Nürnberger Frauenkirche von
1356 stützen, die sehr wahrscheinlich von den gleichen lokalen Kräften ausgeführt wurde wie die Westrose der
Lorenzkirche66. Unter den wenigen noch lesbaren Figuren besitzt der Hl. Ritter (Mauritius?) in der Mandorla die
gleiche modische Haarfrisur mit breit aneinander gereihten Stirnlöckchen und der einseitig ausladenden Welle67. Mit
den altertümlichen Langpaßrahmungen zeigt diese Werkstatt ein für die Zeit allerdings recht traditionelles Bild, das
sich allenfalls in der Proportionierung der Figuren mit dem Chorachsenfenster der Pfarrkirche Segringen (Dinkels-
bühl) verbinden läßt, d.h. vermutlich ältere Wurzeln in der schwäbischen Glasmalerei besitzt (vgl. S. 511!.).
Mit dem Chorachsenfenster der Pfarr- und Deutschordenskirche St. Jakob in Rothenburg o.T., dem ältesten in situ
63 Vgl. zuletzt Rainer Kahsnitz, in: Kat. Ausst. Nürnberg 1986, S. 122.
64 Nürnberg, GNM, Inv. Nr. KG 1; vgl. Zimmermann, 1931, S. 23b, Taf.
30-32; Strieder, 1993, S. 12-14.
65 Zimmermann, 1931, S. 23, Taf. 24-29; Strieder, 1993, S. 12-17;
Suckale, 1993, S. 129. Die Passionstafel verrät besonders in der Kreuzi-
gung das Vorbild der italienischen (Veroneser ?) Malerei, die vermutlich
durch die Kreuzigung eines bayerisch-österreichischen Malers (Zürich,
Sammlung Bührle) vermittelt worden war (Suckale, 1993, Abb. S. 127);
zu weiteren Motivwiederholungen in bayerischen und fränkischen Male-
reien nach 1400 in Freising, Altmühldorf und Nürnberg vgl. Elisabeth
Roth, Der volkreiche Kalvarienberg in Literatur und Kunst, Berlin
2i9Ö7, S. 65, Anm. 173.
66 Zur Werkstattfrage Frenzel, Kaiserliche Fensterstiftungen, 1962, S. 9!.
67 Am besten sichtbar in der Umzeichnung bei Essenwein, 1898, Taf.
VI; vgl. Frenzel, Kaiserliche Fensterstiftungen, 1962, Abb. 8.