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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0404
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POLLENFELD • PFARRKIRCHE

399

3b/c CHRISTUS ZUM ERSTEN MAL VOR PILATUS
Fig. 286, Abb. 293
H./B.: 3b: 78/29,8; b: 78/30,5 cm.
Erhaltung: Bis auf ein halbes Dutzend jüngere Reparaturen in
den Gewändern Christi, der Schergen und des Gekrönten, im
Kopf des letzteren sowie zwei Dritteln des ornamentalen Rand-
streifens originale Substanz. Partiell fortgeschrittene Verbräu-
nung in grünen, roten, braunen und violetten Gläsern. Die
Bemalung in Köpfen und Rankengrund ist vergleichsweise gut
erhalten, ansonsten vielfach verloren. Alte Trockendoublierun-
gen in den Köpfen Christi und des rechten Juden. Bleinetz in 3b
erneuert, in 3c bis auf die Randbleie original.
Ikonographie, Komposition: Welches Verhör in der vorliegenden
Szene dargestellt sein soll, ist angesichts der Krone des Thronen-
den und der weiteren Abfolge der Passionsgeschichte kaum
definitiv zu klären. Die Krone als Attribut wäre nur für den
Tetrarchen Herodes Antipas gerechtfertigt, doch auch zur Kenn-
zeichnung des römischen Statthalters Pilatus ist sie schon früh-
zeitig in zahlreichen Bildbeispielen belegt20. Am nächsten liegt
demzufolge die Annahme, daß hier der Abschnitt der ersten Vor-
führung Jesu vor Pilatus gemeint ist (Lc, 23, 1-6), bevor dieser
den Galiläer zu Herodes schickte (nur Lc, 23, 7-12). Die Gestalt
des Prokurators erscheint thronend im Profil; die Hand zum
Redegestus erhoben weist Pilatus direkt auf Christus. Unter den
Juden, die Jesus vorführen, ist jener mit dem Judenhut merkwür-
digerweise durch ein verkrüppeltes Bein mit einer Holzprothese
charakterisiert.
Farbigkeit, Ornament: Christus in purpurvioletter Tunika mit
gelben Zierstreifen (Kreuznimbus gelb), flankiert von zwei Sol-
daten: links in rotem Wams über hellblauem Harnisch, weißem
Judenhut und weiß-blaßgelbem Holzbein, rechts in knielangem
grünen Rock mit roter Kellerfalte, weißem Saum und hellblauem
Beinharnisch. Pilatus(?) trägt über rotem Rock einen grünen,
weiß gefütterten Mantel (Krone und Kragensaum gelb). Thron
mit weiß-blaßgelben Flächen; Stirnkante der Sitzfläche blau; Bal-
dachin mit hellblauer Konsole, blaßgelber Schrägseite, weißer
Front und grüner Kasettendecke; rückseitige Rahmung hell- und
mittelblau. Inkarnate braun; grüne Bodenfläche; weiße Bogen-
zwickel. Purpur- und rosavioletter Rankengrund mit eingestreu-
ten blauen Blüten.
HD 3364, 3365, Details HD 3390-3393
CVMA W 8195, 8196, GroßdiaXW 47
4a/b CHRISTUS ZUM ZWEITEN MAL VOR PILATUS
Fig. 281, 286, Abb. 294
H./B.: 4a: 78/29,8; b: 78/30 cm.
Erhaltung: Ergänzungen des 19. Jh. betreffen die Köpfe von
Christus und Pilatus, vereinzelte Partien in den Gewändern, im
Rasenboden, im Rankengrund sowie den gesamten Randstreifen;
daneben findet sich ein halbes Dutzend kleinerer alter Flick-
stücke in den Randbereichen der Szene. Verminderte Transpa-
renz durch Verbräunung ist bevorzugt in den purpurvioletten,
grünen und blauen Gläsern, sowie partiell im roten Grund und
den braunen Inkarnaten zu verzeichnen. Die Bemalung ist teil-
weise stark berieben, im weißen Rock eines der Soldaten zur
Gänze verloren; innenseitige Überlagerung durch Schmutz- und
Versinterungskrusten. Bleinetz überwiegend original, an den
Reparaturen des 19. Jh. überarbeitet.
Ikonographie, Komposition: Nachdem Jesus von Herodes und

seinem Gefolge verspottet worden war, ein Ereignis, das nur im
Lukasevangelium erwähnt wird (Lc 23, 8-12), wird er zum
zweiten Mal zu Pilatus geführt (Lc, 23, 13-24; vgl. Mt 27, 11-14;
Mc 15, 2-5; Io 18, 28-40). Dieser sitzt mit übergeschlagenem
Bein, der Haltung des Richters, auf dem Richterstuhl, in der
Rechten den Richterstab (als Szepter), in der Linken die Schrift-
rolle mit dem römischen Gesetz.
Farbigkeit, Ornament: Pilatus in purpurvioletter Tunika und
roten Strümpfen unter weitem grünem Mantel mit gelbem Fut-
ter; Krone und Szepter gelb, Schriftrolle weiß; Richterstuhl mit
hellbauer Frontfläche, weißer Stufenplatte und weißem Sitz.
Christus trägt wie zuvor eine purpurviolette Tunika, hier mit
bernsteingelben Zierstreifen (Kreuznimbus weiß in Purpurvio-
lett). Soldaten: links in knielangem weißen Rock mit violettem
Zierstreifen und aufspringendem hellblauen Schlitz, gelbem
Gürtel mit rotem Knoten, blaßgelben Strümpfen und grünem
Hut; rechts in kurzem dunkelblauen Wams, grüner Mütze und
Beinlingen miparti blaßgelb-violett. Inkarnate braun (die
ergänzten Köpfe rosa). Grüner Rasenboden; weiße Bogenzwickel;
roter Rankengrund mit eingestreuten hellblauen Blüten.
HD 3366, 3367, Details HD 3394, 3395
CVMA W 8197, 8198
4c GEISSELUNG CHRISTI Fig. 281, 286, Abb. 294
H. 78 cm, B. 38 cm.
Erhaltung: Vereinzelt gut angepaßte Ergänzungen von 1947 in
den Gewändern der beiden Schergen, im Kopf Christi, im
Rasenboden und im rechten Bogenzwickel; Randstreifen meist
im 19. Jh. erneuert. Fortgeschrittene Verbräunung im Kern
nahezu aller Farbgläser. Die Bemalung der figürlichen Teile ist
durchgehend stark geschädigt und vielfach ganz verloren; Reste
von Konturzeichnung sind in den Köpfen und im Oberkörper
Christi stehengeblieben. Bleinetz in jüngerer Zeit erneuert.
Ikonographie, Komposition: Nach Mt 27, 26 und Mc 15, 15 ließ
Pilatus Jesus geißeln, um ihn danach dem Volk zur Kreuzigung
zu übergeben; nach Io 19,1 fand die Geißelung während der Ver-
höre statt. Die schmale hochrechteckige Komposition zeigt
Christus im Zentrum an die schlanke Mittelsäule eines gewölb-
ten Raumes gefesselt, wie im 14. und 15. Jh. häufig in gewunde-
ner Haltung, die dem Schmerz der Züchtigung sichtbar Aus-
druck verleiht. Die Marterwerkzeuge der beiden Schergen sind
traditionell in Geißel und Ruten unterschieden.
Farbigkeit, Ornament: Christus in hellbraunem Inkarnat mit
weißem Lendentuch; Kreuznimbus weiß in Hellblau; die gelbe
Geißelsäule auf rosaroter Basis trägt ein rotbraunes Gewölbe.
Scherge links mit blauem Wams, weißen Beinlingen und grünen
Ruten, rechts mit grünem Wams, dunkelblauen Beinlingen und
weißer Geißel an gelbem Stock. Grüner Rasenboden; weiße
Bogenzwickel; roter Blattrankengrund.
HD 3368, Details HD 3396, 3397
CVMA W8199

19 Zur Bildtradition Schiller, II, 2ic>83, S. 58-61; vgl. auch Dietmar
Lüdke, in: Kat. Ausst. Karlsruhe 1996, S. 27-40.
20 Schiller, II, *1983, S. 72-76.
 
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